Gefährliche Liebe unter dem Hakenkreuz (Junge Liebe) (German Edition)
wünschte, du hättest recht.“ Das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen, kam plötzlich. Er zog ihn zu sich und hielt ihn fest. „Ich würde es mir so sehr wünschen.“ „Mach dir keine Sorgen. Uns passiert schon nichts.“ Richard bettete seinen Kopf an Heinrichs Brust. Froh darüber, dass dieser wieder da war, glücklich über die neu entdeckten Gefühle und verstört über das, was er gehört hatte.
***
Nachdem Heinrich den Wagen geparkt hatte, blieb er noch eine Weile sitzen. Er sah aus der Frontscheibe und blickte ins Leere. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Richards unschuldiges Verlangen und seine Neugierde, während sie miteinander geschlafen hatten, hatten ihn überrascht und fasziniert zugleich. Er hatte schon einige Partner gehabt, aber keiner war ihm so nahegekommen. An seinem Körper konnte er die Berührungen durch die Hände seines Freundes noch spüren.
Er schloss die Augen. Das, was er in den letzten 24 Stunden an Wärme und Kälte erlebt hatte, kam ihm unwirklich vor für die Kürze der Zeit. Er dachte an das Bild, das auf der Rückbank seines Wagens lag. Das Buch für Richard war nicht das einzige gewesen, das er von Berlin mitgenommen hatte. Dieses Bild hatte ihn schon immer fasziniert. Es zeigte eine Frau, ganz in weiß gekleidet. Fast überirdisch schön und makellos. Die Augen geschlossen – der Welt entrückt. Die Frau auf dem Bild kam ihm wie ein Spiegelbild seiner Mutter vor: Schön, fast Puppenhaft – aber auch unnahbar, der Wirklichkeit entflohen. Es war von Dodo. Einer Künstlerin, die wie Richard Jüdin war und wie Heinrich in Berlin geboren. Es stammte aus der Zeit, in der sie Illustrationen für die Satirezeitschrift 'ULK' gezeichnet hatte. Nachdem Heinrichs Vater sich mit Haut und Haaren der Partei und dem Führer verschrieben hatte, war es auf den Speicher verbannt worden. Jüdische Kunst wurde nicht mehr gezeigt in diesen Kreisen. Kurz vor seiner Abreise war Heinrich auf den Speicher geklettert und hatte es eingepackt. Er wollte es haben, wohl wissend, dass es für seinen Vater keinen Wert mehr besaß. Von seinem Vater hatte er sich bereits am Abend vor seiner Abreise verabschiedet. Er erklärte ihm, dass er nicht zu spät zurückkommen wollte, weil er hier noch benötigt würde. Die Abschiedsworte seines Vaters hatte er noch genau im Ohr: „Enttäusche mich nicht, mein Sohn!“ Als er an den Blick zurückdachte, der ihn dabei getroffen hatte, lief ihm jetzt noch die Kälte am Rückgrat hinauf. Er schüttelte sich, um das Gefühl aus dem Körper zu bekommen. Die Freude, die in Richards Augen stand, als er das Buch erkannte und ehrfurchtsvoll in Händen hielt, hatte ihn für einiges entschädigt. Eine fast diebische Genugtuung machte sich in ihm breit, dass er dieses Anlageobjekt seines Vaters in Hände gegeben hatte, die es zu würdigen wussten. Richard würde das Buch in Ehren halten. Dessen war er sich sicher. Richard – wieder kam ihm seine Unterhaltung mit ihm in den Sinn. Trotz mehrfacher Versuche, ihn auf die aufkommende Bedrohung hinzuweisen, schaffte er es jedesmal, ihn vom eigentlichen Thema wieder abzubringen. Er verstand es ja, dass Richard es nicht wahrhaben wollte, aber Heinrich sah das Unheil, konnte es geradezu greifen. Er hasste sich dafür, dass er nicht den Mut besaß, seinem Vater alles vor die Füße zu werfen und somit auf das Geld und die damit verbundenen Annehmlichkeiten zu verzichten. Ohne dieses letzte Bindeglied zwischen ihm und seiner Familie wäre es ein Leichtes gewesen, Richard zum Gehen zu bewegen - indem er mit ihm kam. Das laute Knurren seines Magens verursachte, dass er seine Gedanken auf die Seite schob und sich naheliegenden Problemen widmete. Er stieg aus, verschloss den Wagen und sah auf die Kirchturmuhr. Es war später geworden, als er gedacht hatte. Seine Wirtin würde ihm allerhöchstens noch ein paar belegte Brote vorsetzen. Sein Magen verlangte aber nach anderem. Kurz entschlossen ging er in eine der vielen kleinen Weinwirtschaften und bestellte sich etwas zu essen und zu trinken, nachdem er an einem Tisch Platz genommen hatte. Die Bedienung zwinkerte ihm zu, als sie das volle Weinglas vor ihn stellte. Er bedankte sich dafür und griff danach. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen, ging es ihm durch den Kopf, als ihm der Wein die Kehle hinunterlief. Er sah sich in der Wirtschaft um. Die meisten Gäste waren Einheimische. Ihre Gesichter von der Arbeit in den Weinbergen gebräunt, die Hände grob und schwielig. Sie
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