Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
niemals wieder aufhören zu zittern. Sie wird nie wieder Ruhe finden.
Ich starre hinauf zu den Balken an der Decke und schwöre, wenn man mich gehen lässt, werde ich mein ganzes Leben ändern. Ich werde niemals wieder Oliver gegenüber meine Stimme erheben. Er ist nur ein Junge, der sich durch die Pubertät kämpfen muss. Ich werde keinen Tag mehr vergehen lassen, an dem ich Jonathon nicht sage, dass ich ihn liebe, weil ich das wirklich tue, auch wenn es nicht die Art von Liebe ist, die bei mir Herzklopfen auslöst. Ich werde öfter mit dem Sex anfangen. Ich werde das Haus sauberer halten. Ich werde ehrenamtlich bei irgendeiner Wohltätigkeitsveranstaltung mitmachen, mehr darüber nachdenken, was ich für die Welt tun kann, anstatt darüber, was sie für mich tun kann.
Ich döse wieder ein, bin halb wach und schlafe halb. Ich bin am Pool. Benicio lacht über den kleinen hellen Hund. Dieses Mal gehe ich schwimmen. Benicio beobachtet mich, als ich in das tiefblaue Wasser springe und bis hinunter auf den gekachelten Boden tauche. Mit den Fingerspitzen fahre ich darüber, in der Mitte sind die Kacheln glatt, ihre Ecken dagegen spitz, und sie drängen sich eng aneinander. Und dann weiß ich aus irgendeinem Grund plötzlich nicht mehr, wie man schwimmt. Ich glaube nicht, dass ich es überhaupt je gekonnt habe, und bin wütend auf mich selbst, weil ich ins Wasser gesprungen bin.
Ich höre Stimmen. Da sind Leute, die mir helfen können. Dann wieder Stille, ich höre nur noch meinen eigenen röchelnden Atem. Ich bin mir unsicher, was ist Traum, was Wirklichkeit? Der Pool oder dass ich auf dem Bett sitze?
Ich werfe einen Blick zum Fenster. Die Bananenstaude, der Raum, alles sieht genauso aus wie vorher, obwohl ich es jetzt von der anderen Seite aus betrachte. Der Stuhl, auf den ich gefesselt war, ist immer noch leer, die Seile und die Augenbinde liegen auf dem Sitz und am Boden. Auch Benicios Stuhl in der Ecke ist leer.
Diesmal bin ich mir sicher, dass die Stimmen real sind. Mehrere Männer, eine Frau, vielleicht zwei.
Die Tür fliegt auf und Benicio kommt in den Raum gestolpert. Zwei kräftige Arme schieben ein Tablett hinter ihm herein. Darauf stehen Kuchen und zwei Becher mit Kaffee, von dem der meiste allerdings verschüttet ist. Die Tür wird wieder zugezogen und verschlossen.
Benicios Wange ist geschwollen und rot, er blutet aus einem Nasenloch. Das Blut läuft über sein Kinn und tropft auf sein Shirt. Er ist immer noch umwerfend attraktiv und steht mitten im Raum, als würde er posieren – wie ein Schauspieler in der Rolle eines Kriegers, der gerade eine Schlacht verloren hat. Prüfend schiebt er seinen Kiefer von einer Seite zur anderen und berührt seine Wange.
Mir ist der Mund offen stehen geblieben. Ich habe immer noch mit der Erkenntnis zu ringen, das Benicio anstelle von Jonathon oder Oliver geschlagen worden ist. Ich bin erleichtert und versuche, mein schlechtes Gewissen deswegen herunterzuschlucken. Dann gehe ich zu ihm, greife nach seinem Armund ziehe ihn neben mich auf die Matratze. Er setzt sich und tastet seinen Kopf ab, als suche er nach Beulen.
Ich nehme eine Ecke der Decke und wische ihm das Blut vom Kinn. »Sind Sie okay?«
Er starrt auf die beiden Stühle und ich frage mich, ob er eine Gehirnerschütterung hat.
»Sie haben uns losgebunden«, sage ich. »Und mich gezwungen zu duschen. Bedeutet das, sie werden uns freilassen?«
Benicio lacht und seine Hand schnellt zu seiner Nase. Sie blutet erneut. Er legt den Kopf in den Nacken und entblößt damit seinen glatten Hals. »Nein«, sagt er. »Sie werden uns nicht freilassen.«
Wieder wische ich ihm das Blut fort. Sein Adamsapfel hüpft, beruhigt sich dann aber unter meiner Berührung.
»Sagen Sie mir, was die von uns wollen«, bitte ich, doch wenn Benicio in diesem Moment geantwortet hätte, wäre mir Jonathons Stimme nicht aufgefallen, die aus einem anderen Raum ertönt. Ich bin so begeistert, so überwältigt von dieser Erkenntnis, mir fällt im ersten Moment fast nicht auf, dass Jonathon Spanisch spricht.
8
Jonathon und ich lernten uns wenige Tage nach dem Tod meiner Mutter kennen. Ich war zu ihrer Bank gegangen, der
Pacific Savings and Trust,
um alle Papiere zu unterzeichnen, was ihre Konten anging. Meine Augen brannten, so viel hatte ich geweint. Nun war ich offiziell ganz allein auf der Welt. Jedenfalls gab es keine Familie mehr, die irgendwie erwähnenswert gewesen wäre. Erst einen Monat zuvor hatte ich mich von meinem Freund
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