Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
getrennt – eine Entscheidung, die ich in den Tagen vor der Beerdigung meiner Mutter bereute. Der Mann war einfach nicht der richtige für mich gewesen. Ich wusste das, aber er hatte drei Brüder und zwei Schwestern gehabt, und mit allen hatte ich mich besser verstanden als mit ihm. Ich wurde einfach den Gedanken nicht los, wie schön es gewesen wäre, sie jetzt alle während der Ferien um mich zu haben. Sie in der Bank bei mir zu haben.
Ich unterschrieb alle Formulare, nachdem ich den vor meinen Augen verschwimmenden Text kurz überflogen hatte. Der Anblick der zackeligen Unterschrift meiner Mutter reichte aus, um mich erneut in Tränen ausbrechen zu lassen. Meine Sichtwar verschwommen, meine Augen zu müde, um etwas zu erkennen. Ich war abgelenkt und irgendwie unfähig, das seltsame Gefühl abzuschütteln, dass jemand mich beobachtete. Ich dachte, es sei meine Mutter, die aus dem Jenseits auf mich herabblickte und meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, um mir Ratschläge zu geben, wie ich auf einem Markt handeln sollte, der mich nicht interessierte – und für den sie, laut ihrem Anwalt, ebenfalls kein besonders gutes Händchen gehabt hatte. Doch als ich mir die Tränen fortwischte, bemerkte ich im Augenwinkel einen Mann in einem dunkelgrauen Anzug. In regelmäßigen Abständen massierte er mit den Fingerspitzen seine Schläfe, als wolle er die Gedanken dahinter beruhigen. Er sortierte Papiere, doch das wirkte nicht sonderlich überzeugend. Als ich mich erhob, um zu gehen, trat er hinter seinem langen Schreibtisch hervor und stellte sich als Leiter der Bank vor. Er sagte mir, wie sehr ihm mein Verlust leidtäte. Er hatte meine Mutter Gilion gekannt, natürlich nur oberflächlich, aber er wollte mich wissen lassen, dass er sich immer über ihr fröhliches Wesen und all ihre Gespräche über den Aktienmarkt gefreut hatte. Meine Mutter
war
fröhlich gewesen, ein Wort, das ich bis zu diesem Moment noch nie mit ihr in Verbindung gebracht hatte. Sie war tatsächlich fröhlich gewesen, mit einem großen Herz und voller mütterlicher Liebe, und ohne jede Vorwarnung hatte ein gieriger und grausamer Krebs sie mir entrissen.
Jonathon und ich heirateten vier Monate später während einer kleinen Feier im Garten des viktorianischen Hauses, das wir wegen seiner langen Geschichte gekauft hatten, und wir schlossen alle Familien, die dort im Laufe der Jahrhundertegelebt hatten, in unser Herz, als seien sie unsere eigene. Es war Sommer, die Natur stand in voller Blüte, der Duft von Jasmin und Heckenkirschen hing in der Luft. Jonathon war, genau wie ich, ein Einzelkind. Und ebenfalls Waise. Es gab also keine Familie, die uns geraten hätte, uns etwas mehr Zeit zu lassen. Niemand, der vorschlug, uns erst besser kennenzulernen, bevor wir einen so wichtigen Schritt taten. Niemand fragte uns, ob wir uns sicher seien, diese Ehe wirklich zu wollen. Freunde, sowohl seine als auch meine, waren überglücklich, dass wir endlich einen Partner gefunden hatten. Jemanden, der freundlich und ansehnlich war und sein eigenes Geld verdiente. Der dafür sorgte, dass keiner von uns mehr allein war.
* * *
Ich mache einen Satz zur Tür. Mein Herz schlägt mir im Hals, das Blut rauscht in meinen Ohren, ich kann kaum verstehen, was gesagt wird. Aber ich bin mir sicher, dass Jonathon da draußen ist, nach achtzehn Jahren Ehe ist mir seine Stimme viel zu vertraut, genau wie sein typisches Räuspern. Es ist, als würde jemand eine rote Fahne zwischen lauter weißen schwingen. Ich erstarre innerlich. Was zum Teufel ist da los?
Benicio hebt das Tablett mit dem Essen auf und trägt es zum Bett.
»Es ist Jonathon!«, sage ich. Vielleicht kann er unseren Entführern die Waffen abnehmen, so wie er es bei dem Bank räuber getan hat.
Benicio nippt an seinem Kaffee.
»Haben Sie mich gehört?«
»Pero concordamos«, sagt Jonathon, oder irgendetwas in der Art.
»Kommen Sie her!«, fordere ich Benicio auf. »Übersetzen Sie mir, was er sagt.«
Benicio durchquert den Raum und legte sein Ohr an die Tür.
»Pero concordamos.« Da war es wieder.
»Was bedeutet das?«
Benicio legt einen Finger auf die Lippen.
Das Gespräch wird weiter auf Spanisch geführt, was mir nicht so wichtig erscheint wie die Tatsache, dass Jonathon sich in diesem Haus befindet, in diesem Moment. Die meiste Zeit redet ein anderer Mann. Nach ungefähr einer Minute verstummen die Stimmen.
»Was haben sie gesagt?«, frage ich.
»Setzen wir uns doch erst mal und essen
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