Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
Ich befeuchte das Handtuch damit und wische sanft das verkrustete Blut aus Benicios Gesicht. Er zuckt vor Schmerzen, seine Augen sind blau und grün. Eins ist zugeschwollen. Er ist nicht in der Verfassung für eine Flucht.
Ich bringe ihn zum Bett und stopfe ihm Kissen unter den Kopf. Er lächelt mich an, so gut er kann und drückt meine Hand. Seine Nase ist riesig. Man kann kaum erkennen, wo sie überhaupt endet und wo der Rest seines Gesichts beginnt.
Ich drücke das Handtuch durch die Gitterstäbe des Fensters und gegen die kühlen, feuchten Blätter davor. Dann gehe ich zurück und lege es über Benicios Nase.
Er stöhnt.
»Stell dir einfach vor, es sei Eis«, sage ich.
Das erste Licht der Sonne erscheint am Horizont. »Ruh dich aus.« Ich hole die Scherbe, mit der ich uns befreit habe.
Ich setze mich neben ihn, das Stück Glas in meiner Hand wie einen Glücksbringer. Lautlos zähle ich.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig
. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, dass ich einschlafe. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so wach gefühlt.
Alle zehn Minuten kratze ich mit der Scherbe einen Strich in den Beton, es gibt ein Geräusch wie Nägel auf einer Tafel. Ich bekomme eine Gänsehaut. Vier Stunden mache ich konzentriert weiter, lasse mich keine Sekunde von meiner Aufgabe ablenken. Jede dünne weiße Linie ein Schritt näher zu unserer Rettung. Jede Stunde bringt mich näher zu Oliver.
Benicio schläft mit weit offenem Mund, schnarcht, gurgelnd bei jedem Atemzug.
Ich schätze, es muss ungefähr sieben sein, als ich höre, wie im Haus Türen geöffnet und wieder geschlossen werden. Aber ein Schrei von Benny übertönt die Geräusche, die mir Hinweise geben könnten. Wir müssen jetzt schnell reagieren.
»Wach auf!«, flüstere ich laut in Benicios Ohr. »Beeil dich.«
Schnell stelle ich meinen Stuhl an seinen alten Platz.
Mühsam richtet Benicio sich auf. Er stöhnt. Mit der Hand fasst er sich ins Gesicht.
»Setz dich in deinen Stuhl«, sage ich. »Schnell.«
Wahrscheinlich tut es ihm einfach zu weh, etwas zu erwidern.
»Komm jetzt«, sage ich und helfe ihm in den Stuhl.
Ich greife nach den alten Plastikfesseln und lege sie ihn um die Knöchel, als säßen sie noch fest.
Benicio nimmt die Arme auf den Rücken, als seien sie gefesselt.
Ich nehme mir weitere Plastikfesseln, gleite auf meinen eigenen Stuhl, lege die Plastikbänder um meine Knöchel und warte.
Als die Schlösser geöffnet werden, nehme ich die Hände auf den Rücken.
Benicio murmelte irgendetwas. Ein Gebet vermute ich und wünschte, mir würde auch eins einfallen.
»Isabel!« Benicio ist plötzlich hellwach, ganz bei der Sache. Er redet schnell auf Spanisch.
Isabel wirkt zunächst verwirrt, doch es dauert nicht lange, bis ihre Verwirrung in Wut umschlägt. Sie geht zu ihm und schnauzt ihn ebenfalls an.
Benicio steht der Schweiß auf der Stirn.
Isabel zieht ihre Waffe. Es ist schwer zu sagen, ob sich noch jemand anders im Haus befindet. Deswegen macht Benicio so einen Aufstand, um zu sehen, ob jemand nach dem Rechten sieht. Dass auf Bennys Gebrüll niemand reagiert, ist ein gutes Zeichen dafür, dass wir allein sind.
Ich schreie. Isabel fährt zu mir herum und Benicio springt von seinem Stuhl auf und packt Isabel von hinten. Er schlingt seine Arme um ihre und reißt sie zur Seite, um an die Waffe zu kommen.
Alles passiert so schnell. Isabel taumelt, aber sie lässt auch in Benicios Griff die Waffe nicht los.
Ich hechte zur Seite, als sich der Schuss löst. Ich lande auf meinem Arm und schreie vor Schmerz. Dann schreie ich vor Wut.
Benicio packt Isabels Handgelenk und erneut löst sich ein Schuss. Die Kugel durchschlägt den Sitz des Stuhls, auf dem ich gerade noch gesessen habe. Der Knall ist ohrenbetäubend. Und alle schreien mindestens ebenso laut.
Isabel fuchtelt mit ihrem Arm herum. Sie versucht, mich zu töten.
Es sind nur Sekunden vergangen, seit Benicio von seinem Stuhl aufgesprungen ist, bis zu dem Moment, in dem die Waffe einmal, zweimal und nun ein drittes Mal abgefeuert wurde.
Ein stechender Schmerz und dann ein tiefes Brennen zuckt durch meine Wade.
Benny brüllt am anderen Ende des Flurs, als sei
er
getroffen worden.
Benicio schlägt Isabels Handgelenk so hart gegen die Wand, dass die Waffe zu Boden poltert. Isabel schreit. Er schnappt sich die Pistole und richtet die Mündung auf ihr Gesicht.
Ihr Mund formt ein perfektes »O«. Sie heult jetzt und hält sich das verletzte Gelenk.
»Celia?«, fragt Benicio,
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