Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
schützenden Baum und es erscheint mir, als wolle das urtümliche Tier sich lediglich auf dem Felsen sonnen.
Ich setze mich neben meine Waffe auf den Boden und merke erst jetzt, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten habe. Ich entferne den durchgeweichten Verband von meinem Bein und kippe, ohne zu zögern, den Alkohol über die Wunde. Es zischt wie Weißfisch auf dem Grill. Der Schmerz übermannt mich nicht mehr. Wieder denke ich daran, wie ich Oliver geboren habe, wie schmerzhaft es war, wie ich bei jeder Wehe geschrien habe. Und doch, am Ende, als es eigentlich noch schlimmer hätte werden müssen, als ich so erschöpft gewesen bin, dass ich nicht mehr sprechen konnte, hatte ich mich einfach in mein Schicksal ergeben. Noch eine Welle des Schmerzes, noch einmal pressen und bald wird es vorbei sein.
So oder so, auch diese Situation würde bald vorbei sein. Ich verbinde die Wunde neu, benutze dafür den Rest des Mulls. Ich binde den letzten Knoten, blicke auf und der Leguan faucht mir ins Gesicht.
Ich löse den Sicherungshebel der Waffe, spanne den Hahn und drückte ab. Es regnet klebrige Fetzen, grün und rot und braun. Teile landen in meinem Haar und auf meinem Gesicht, klatschen auf meine Arme und Beine. Dann kommt der Geruch, sauer, ekelerregend. Ich habe keine Ahnung, ob er von dem zerrissenen Leguan stammt oder ich ihn nur in meiner Kehle schmecke.
Ich schreie. Laut und so lange ich kann. Ich ringe nach Atem und schreie noch mal. Ich schreie, bis meine Lungen brennen.Ohne Sinn und Verstand. Mein Bein ist mir egal. Auch der Schuss, der im Dschungel widerhallt. Es interessiert mich nicht, ob ihn jemand gehört hat, jetzt kommt und mich findet. Es ist mir völlig egal, ob Benicio den Knall gehört hat und meine Schreie, ob er denkt, dass jemand auf mich geschossen hat. Ich werde machen, dass ich aus diesem Dschungel herauskomme, bevor ich die Waffe noch gegen mich selbst richte.
19
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so müde gewesen bin. Ich spüre die Erschöpfung wie ein Gewicht, einen Mantel aus Eisen um meine Schultern, und ich kann ihn nicht abschütteln. Trotzdem stapfe ich den Pfad am Flussufer entlang, während mir fast die Augen zufallen und mein Verstand mir den Dienst zu versagen droht. Meine Füße tragen mich weiter, als befände ich mich auf einem Todesmarsch. Lauf oder du wirst erschossen.
Erst als ich schon eine Weile unterwegs bin, fällt mir ein, dass Benicio meinen Reisepass in der Tasche hat. Abrupt bleibe ich stehen und reiße die Augen auf. Mein Vorhaben scheint sich als großer Fehler herauszustellen. Ich habe die ganze Sache nicht gründlich genug durchdacht und jetzt bin ich schon viel zu weit den Berg hinunter, um noch umzudrehen und vor Einbruch der Dunkelheit die Stelle wiederzufinden, an der er mich zurückgelassen hat. Wenn ich sie überhaupt wiederfinden kann.
Fast zwei Stunden hatten wir gebraucht, vielleicht sogar ein bisschen länger, um die Stelle zu erreichen, wo wir Rast gemacht haben. Und das Ganze den Berg hinauf, was noch schwerer ist,besonders mit meinem Bein. Bergab dürfte es nicht länger als eine Stunde dauern. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass es dunkel sein wird, wenn ich das Haus erreiche, das an einer einsamen Straße liegt, und ich habe keine Ahnung, wohin ich von da aus gehen soll. Wie soll ich, ohne gesehen zu werden, an dem Haus vorbei und weiter den Berg hinunter kommen? Wie weit ist es vom Haus noch bis in die Stadt? Es sieht immer mehr danach aus, als würde ich die Nacht doch noch im Dschungel verbringen.
Ich folge dem Fluss und hoffe, den Pfad nach Mismaloya zu finden. Mein Nacken tut weh, weil ich mich ständig auf der Suche nach Benicio umsehe. Ich werde den Gestank des Leguans nicht los. Ich war in den Fluss gesprungen und hatte mir die Fetzen des Tiers aus dem Haar und von der Haut gewaschen und war dann in Isabels Jeans und ihr Shirt geschlüpft, trotz dem haftet der Geruch immer noch an mir. Er erfüllt meine Nase. Ich spüre Teile des Leguans in meinem Haar, doch wenn ich hineingreife, finde ich nichts in meinen verfilzten Locken.
Ich gehe weiter. Als die Abenddämmerung hereinbricht, höre ich die ersten Geräusche der Zivilisation. Eine Hupe, Sirenen, das Rumpeln eines großen Trucks. Blechern, entfernt, vielleicht kilometerweit weg.
Warte am Fluss bis zur Abenddämmerung,
hatte Benicio gesagt. Falls er zurückkommt, wird er es jetzt irgendwann tun.
Ich lehne mich mit dem Rücken an einen Baum,
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