Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
um etwas auszuruhen, und starre in den Fluss. Er hat etwas Hypnotisches. Die frische Brise, die er erzeugt, lindert die Hitze etwas. Erschöpfung lässt mich zu Boden sinken. Meine Augen brennen vom Salz und vor Müdigkeit. Ich schließe sie für eine Sekunde undgebe mich in Gedanken Benicios Händen hin. Nur eine Sekunde. Nur noch eine Sekunde dieses Gefühls.
Als ich erwache, bin ich blind. So dunkel ist es. Ein Chor von Grillen und Fröschen durchdringt die Nacht. Weitere Insekten haben sich an meiner Haut gelabt. Mein Genick ist steif. Wie spät auch immer es ist, die Abenddämmerung ist längst Vergangenheit.
Zwischen den Bäumen hinter mir raschelt es. Stimmen. Das hat mich geweckt. Dann ein Licht, das sich bewegt. Ich taste auf dem Boden nach der Waffe. Ich lege den Sicherungshebel um und halte die Pistole auf Höhe meines Gesichts. Etwas Weißes blitzt zwischen den Blättern auf. Das Gesicht einer Frau? Es ist schon wieder verschwunden, bevor ich es erkennen kann.
Zweige brechen. Schwaches Mondlicht bricht durch die Wolken. Doch im Halbdunkel ist es unmöglich, zwischen den dichten Bäumen etwas zu entdecken. Dann sehe ich wieder das Licht, eine helle Taschenlampe zeigt einen Mann und eine Frau, die sich ihren Weg durchs Unterholz bahnen. Lichtstrahlen wandern wie Scheinwerfer durch die Dunkelheit. Sie kommen nur langsam voran, suchen den Boden ab. Jetzt kann ich sehen, dass sie wie altertümliche Forscher gekleidet sind, in Kakihosen und Jacken. Wonach suchen sie? Höchstens sieben Meter entfernt. Eine Frau mit einem blonden Pferdeschwanz. Ein Mann, der, wenn überhaupt, nur sehr wenig Haar hat. Sie sprechen flüsternd. Spanisch? Englisch?
Ich halte den Atem an und konzentriere mich ganz auf mein Gehör. Das Paar kommt direkt auf mich zu.
Die Frau legt den Kopf in den Nacken und lacht über etwas, was der Mann sagt. Sie wirken so völlig normal. Das Licht derTaschen lampe streicht über ihre weißen Socken und Wanderstiefel. Sie haben Rucksäcke, dicke Armbanduhren. Die Frau trägt etwas am Gürtel, das wie ein Handy aussieht. Sie kann jemanden anrufen. Vielleicht ist das meine einzige Chance.
Dann bleibt der Mann stehen und im Licht der Taschenlampe der Frau glänzt etwas an seinem Gürtel. Eine Waffe?
Mein Herz rast.
Das Paar scheint sich überhaupt nicht bewusst zu sein, dass ich in der Nähe bin. Sie bahnen sich ihren Weg den Pfad entlang, die Kegel ihrer Taschenlampen gleiten über den Boden. Ich mache mich so klein ich kann am Fuß des Baums, wo der Stamm breiter wird.
Die Frau bleibt abrupt stehen und deutet auf den Boden. Der Mann beugt sich hinunter, um sich etwas aus der Nähe anzusehen, während die Frau, eine Hand in der Hüfte, die Umgebung ableuchtet. Sie hocken sich vor irgendetwas hin, nicken, flüstern.
Ich bete, dass es sich bei ihnen um Wissenschaftler handelt, die vielleicht seltene, nachtaktive Tiere suchen. Aber ich weiß es besser. Mein Blut rauscht in meinen Ohren. Ich weiß, was sie gefunden haben.
Der Mann hält den blutigen Verband ins Licht ihrer Taschenlampen. Jenes Stück Mull, das Benicio mit dem Fuß in den Boden getreten hatte.
Sie blicken auf und sehen sich hektisch nach dem Besitzer des Verbands um. Die Frau geht mehrere Schritte, eine Hand auf ihrem Handy. Der Mann hat seine Hand, ich sehe es genau, auf seiner Waffe liegen.
»Celia?«, ruft die Frau. »Wo sind Sie?« Es sind Amerikaner.
»Celia!«, ruft auch der Mann. »Sagen Sie etwas, wenn Sie uns hören können!«
Mein Herz pumpt Blut in die Prellung, die ich mir zugezogen habe, als ich in Ohnmacht gefallen bin. Ich kann es mir jetzt nicht leisten, eine falsche Entscheidung zu treffen. Was ist, wenn die beiden gekommen sind, um mir zu helfen? Was, wenn die Polizei bereits alle im Haus verhaftet hat und ein Suchtrupp losgeschickt worden ist, um mich zu finden?
Ich stelle mir Jonathon am Küchentisch vor seinem Laptop vor. Sein Lächeln, seine gerunzelte Stirn. Wahrheit. Lüge. Ich weiß nicht mal, wer mein eigener Ehemann ist, ganz zu schweigen von mir völlig fremden Leuten. Ich denke an Benicio, der meinen Reisepass mitgenommen hat. War es ein Versehen? Wie konnte er daran denken, mir Geld zu geben und ein Handy, aber nicht meinen Reisepass? Mein Urteilsvermögen ist zäh wie Gummi. Ich versuche mit aller Macht, eine Entscheidung zu treffen, aber ich kann es nicht.
Immer wieder rufen die beiden nach mir. Sie öffnen Reiß-verschlüsse an ihren Rucksäcken. Sie sind so weit entfernt, dass ich zwar ihre
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