Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
läufst, wo wir immer hingehen. Daneben ist dieser kleine Durchgang zu dem Hof mit dem Friseur und den anderen Läden. Du brauchst höchstens zehn Minuten bis dahin. Warte da, ich rufe dich dann gleich wieder an.«
Ich höre, wie er durch die Gänge der Schule geht. Der Lärm im Hintergrund ist mal lauter, mal leiser. Dann wird eine schwere Tür geöffnet. Er ist draußen.
»Das ist doch verrückt, Mom. Dad hat gesagt, wir müssten in die Schweiz fliegen, um dich nach Hause zu holen.«
»Er hat dich angelogen, Oliver. Er hat auch mich angelogen und wahrscheinlich jeden, den er kennt. Es gibt keine Geschäftsreise. Er hat das alles von Anfang an geplant.«
»Wo bist du denn? Ich meine, wo in Mexiko?«
Ich zögere. Ich traue meinem eigenen Sohn nicht. »Ich bin an einem sicheren Ort. Mach dir über mich keine Sorgen. Geh einfach zu dem Hof mit den Läden. Jetzt sofort!«
Die folgenden zehn Minuten entwickeln sich zu den längsten meines Lebens. Ich sehe Oliver vor mir, wie er durch die Straßen von Portland läuft, während Jonathon durch die Gänge der Highschool geht, den anderen Kindern zulächelt, sie fragt, ob irgendjemand Oliver gesehen habe. Vielleicht wird er nervös und fragt im Schulbüro nach. Jedenfalls wird Oliver dadurch genug Zeit haben zu verschwinden.
Dann stelle ich mir vor, wie Jonathon Oliver auf der anderen Seite der Straße entdeckt. Wie er zu ihm fährt und ihn einsteigen lässt, sich ganz ruhig gibt, vernünftig, und Oliver überzeugt, dass ich den Verstand verloren habe.
Die Schweiz. Was zum Teufel ist in der Schweiz? Er muss dort Geld versteckt haben. Wie war das noch mit Schweizer Bank konten? Ich erinnere mich nicht genau, außer dass Leute sie aus zwielichtigen Gründen eröffnen. Anonym. War es nicht so? Konten, die man nicht zuordnen kann?
Er will Oliver mitnehmen. Weil er keine andere Wahl hat? Will er ihn dort lassen? Warum ist er nicht direkt von Mexiko dort hingeflogen? Warum hat er die warmen Sachen mit nach Mexiko genommen und ist dann doch wieder nach Hause zurück gekehrt? Meine Flucht muss all seine Pläne über den Haufen geworfen haben. Hatte er Isabel und Benny mitnehmen wollen? War das einer der Gründe, warum Isabel so wütend auf mich gewesen ist?
Neun Minuten sind vergangen, als ich erneut Oliver anrufe. Als Erstes höre ich ihn nur schwer atmen.
»Bist du bei den Läden?«
»Bin gerade angekommen.«
Ich darf ihm immer noch nicht vertrauen und das tut so weh. Jonathon könnte ihm eine Gehirnwäsche verpasst haben. Er könnte genauso gut auch gerade neben ihm im Auto sitzen.
»Geh in den Frisiersalon und sag der Frau am Empfang, dass ich einen Termin haben möchte«, sage ich. »Gib ihr das Telefon.«
»Was? Warum?«
»Tu es einfach!«
»Was ist denn bloß los?«
»Du musst mir vertrauen, Oliver.«
Es raschelt einen Moment, dann meldet sich eine Frau und erkundigt sich, an welchem Tag es mir besten passen würde.
»Wissen Sie was«, sage ich. »Ich merke gerade, dass mein Termin kalender im Moment völlig überfüllt ist. Ich rufe Sie noch mal an.«
»Hallo?«, meldet sich Oliver wieder. Er klingt total genervt.
»Wie viel Geld hast du?«, frage ich.
»Bei mir?«
»Ja.«
»Ich weiß nicht genau. Dreißig Dollar vielleicht. Warum?«
»Wie viel hast du auf deinem Sparkonto?« Mir schießt durch den Kopf, dass Jonathon vielleicht auch dieses Geld an sich genom men hat.
»Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, waren es achthundert. Wieso?«
Gott sei Dank kommt er in dieser Hinsicht nach seinem Vater und achtet auf solche Dinge.
Ich bemühe mich, schnell zu denken. Wo kann er jetzt hin? Wer kann ihn aufnehmen? Es gibt nur einen Menschen, nur einen Ort, der mir einfällt. Und das ist absolut absurd.
»Hör mir jetzt ganz genau zu, Oliver. Du darfst niemandem erzählen, wo du hinfährst. Maggie nicht, niemandem. Und auf keinen Fall deinem Vater.«
Er ist still. Zu still.
»Oliver. Versprich es mir! Du hast ja keine Ahnung, was ich durchgemacht habe.« Ich flehe ihn an und versuche, nicht zu weinen.
»Aber warum kann ich es Maggie nicht sagen? Sie wird niemandem …«
»Ich habe eine Kugel ins Bein bekommen, die jemand auf mich abgefeuert hat, der für deinen Dad arbeitet.«
»Was?«
Ich sehe Roberto vor mir, wie er blutüberströmt am Boden liegt. Ein Schluchzen bleibt mir in der Kehle stecken. »Bei Gott, ich wünschte, es wäre nicht wahr.«
»Bist du okay?«
»Ja, Schatz. Alles wird gut, wenn du tust, worum ich dich bitte.«
»Oh Mann«,
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