Gefaehrliche Schatten
klatschnass. Auf der anderen saßen zwei vollkommen trockene Erwachsene. Der eine hatte eine glänzende Glatze, der andere einen langen grauen Pferdeschwanz. Es waren Tank und Mr Darby.
Grunzend hievte Noah seinen Körper über den Rand des Brunnens. Er landete in einem Wassergraben und watete hindurch, wobei er eine Gruppe von Pelikanen verscheuchte. Dann stolperte er hinüber zu den Bänken, wobei seine nassen Schuhe Spuren auf der Straße hinterließen. Der Otter lief hinter ihm her – auch er hinterließ kleine nasse Pfotenabdrücke. Noah starrte seine Schwester an, der die nassen Zöpfe am Kopf klebten.
«Na, das war doch cool, oder was?», meinte sie.
«Im Moment tendiere ich eher zu oder was », antwortete Noah.
Er ließ sich neben Tank auf die Bank sinken, der laut lachte.
«Ach komm!», protestierte Megan. «Du kannst mir doch nicht erzählen, dass dir das nicht gefallen hat!»
Noah schwieg. Er zog sich die Schuhe aus und entleerte sie. Dann beugte er sich vor und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Knien ab. Direkt vor ihm saß Ella. Auch sie hatte die Schuhe ausgezogen und wrang ihre Socken aus. Noah konnte ihre Füße aus der Nähe sehen. Erstaunt stellte er fest, dass sie rosa lackierte Fußnägel hatte.
«Seit wann lackierst du dir denn die Fußnägel?», fragte er.
Ella wrang angestrengt ihre Socken aus. «Wir sind gerade eine Wasserrutsche runtergekommen, die ungefähr so hoch wie der Eiffelturm ist, und du willst über meine Fußnägel reden?», fragte sie. Sie blickte Noah an und merkte, dass er die Frage ernst gemeint hatte. Sie schüttelte den Strumpf aus und meinte: «Ich weiß nicht. Seit ein paar Monaten.»
Noah blickte zu Tank hinüber, der ihn immer noch grinsend ansah.
Triumphierend streckte er Noah die Faust hin. «Gib mir eine von diesen!»
Noah starrte Tanks riesige Faust an. Jeder Fingerknöchel hatte die Größe einer Walnuss und war mit Narben übersät, als hätte Tank sein Leben damit verbracht, Löcher in Glas zu schlagen.
«Was?», murmelte Noah.
Tank wackelte mit seiner Faust in der Luft herum. «Gib mir eine von denen , los …»
Als Noah sich verwirrt zu Mr Darby herumdrehte, sagte der alte Mann: «Mr Pangbourne möchte gern, dass du die Faust hebst und damit seine berührst. Das ist eine erweiterte Form des konventionellen Handschüttelns und soll der anderen Person gegenüber Bewunderung oder Respekt demonstrieren.» Mr Darby sah zu Tank hinüber und fragte: «Ist diese Annahme korrekt, Mr Pangbourne?»
«Wie immer, Mr D.»
Noah überlegte einen Moment und stieß dann mit seiner kleinen Faust gegen Tanks große. Die Geste wirkte ein wenig albern, aber irgendwie auch aufregend. Tank warf den Kopf zurück und lachte wieder. Und Noah stellte jetzt erst fest, dass der große Mann einen breiten Verband um das Gesicht trug.
«Tank – dein Gesicht …»
«Was ist damit?», sagte Tank und zwinkerte ihm zu. «Merkst du jetzt erst, dass ich keine Schönheit bin?»
Noah öffnete den Mund, doch es wollten keine Worte herauskommen.
«Der Verband?», fragte Tank. «Ja, dieser Yeti hat mich ganz schön erwischt. Mit den ganzen Stichen hätte man eine Hose nähen können – aber ich werd’s überleben.»
Mr Darby deutete nach oben: «Hier kommt unser letzter Scout – nicht ganz so elegant, fürchte ich.»
Noah sah hoch. Richie donnerte in einem Wust von mindestens einem Dutzend Otter die Glasrutsche herunter. Er hielt die Knie an die Brust gepresst und den Hintern in die Luft gereckt, und seine Schreie hallten aus dem Tunnel bis über den Springbrunnen.
«Da kommt Richie», stellte Ella ungerührt fest und wrang dann weiter ihre Socken aus.
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23. Kapitel
Das himmlische Meer
R ichie und die Otter fielen platschend in den Brunnen, dass die Vögel in die Luft stoben. Keuchend watete Richie hinüber zur Brunnenmauer und warf sich gegen ihren Sims. Die Otter schwammen in alle Richtungen davon, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Ein paar schnappten zum Abschied wütend nach Richie, bevor sie verschwanden. Er kletterte mühsam über die Mauer und stand dann schwankend und tropfend da.
«Was ist denn passiert?», fragte Noah. «Da hingen so viele Otter an dir – was hast du gemacht?»
«Ich weiß nicht», sagte Richie schließlich. Seine Brille hing ihm seitlich im Gesicht, die Gläser näher an seinem Ohr als an seiner Nase. «Der Vorhang … die Otter … ich glaube, ich … ich bin irgendwie
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