Gefaehrliche Sehnsucht
seinem Gesicht lag ehrliche Verwirrung, in seinen Augen echte Panik.
»Ich ... ich bin Claire«, sagte sie schließlich. »Claire, weißt du noch? Was ist los mit dir?«
»Ich...« Er holte tief Luft, schloss die Augen und ballte die Hände zu Fäusten. Sie sah, wie etwas Seltsames über sein Gesicht huschte, dann sah er sie wieder an und war wieder der Michael, den sie kannte. »Claire. Ach, Scheiße, Claire, es tut mir leid. Das war seltsam. Ich glaube... ich glaube, ich bin geschlafwandelt. Ich habe geträumt, ich bin drei Jahre alt und meine Eltern sind noch hier. Das war früher ihr Schlafzimmer. Ich dachte noch, wie seltsam es ist, dass ihre Sachen nicht da sind.« Er lachte zittrig und wischte sich über die Stirn, als würde er schwitzen, auch wenn Claire nicht glaubte, dass er wirklich schwitzte. »Wow. Das war übel. Es hat sich echt falsch angefühlt.«
Aus irgendeinem Grund hatte Claire immer noch Angst. »Aber... jetzt geht es dir gut?«
»Ja, es geht mir gut«, sagte er und bedachte sie mit diesem umwerfenden Michael-Glass-Lächeln, für das die Mädchen ihm zu Füßen lagen. »Tut mir leid, wenn ich dir Angst eingejagt habe. Mann, ich bin schon seit einer Ewigkeit nicht mehr geschlafwandelt. Total unheimlich.«
»Du hast an die Badezimmertür geklopft«, sagte Claire. »Du ... du hast gefragt, ob ich deine Mom bin.«
»Echt? Tut mir leid, das ist supergruselig. Du bist viel kleiner als meine Mom.«
»Du Idiot«, kicherte sie überrascht.
»So redet man nicht mit einem Vampir.«
»Du blutsaugender Idiot.«
»Schon besser«, sagte er. »Ich fass es nicht, dass ich hier einfach so reingeplatzt bin. Tut mir echt leid. Kommt nicht wieder vor.«
»Schon gut, du konntest ja nichts dafür.« Aber sie beobachtete ihn trotzdem die ganze Zeit auf dem Weg durch den Flur nach unten. Wenn ein Vampir sich so seltsam verhielt - selbst wenn es Michael war -, dann lief es ihr kalt über den Rücken.
Als sie alle zusammen in der Küche waren, schien alles wieder in Ordnung zu sein. Michael war ganz der Alte und Eve und Shane warfen sich wie immer locker und liebevoll irgendwelche Gemeinheiten an den Kopf. Claire ertappte sich dabei, dass sie nichts anderes tat, als die drei zu beobachten, um zu sehen, ob irgendetwas seltsam war. Oder fehl am Platz.
»Hey«, sagte Eve, als sie einen Teller Eier mit Speck vor Claire auf den Tisch stellte. »Erde an Claire. Ist jemand zu Hause?«
Claire blinzelte und richtete den Blick auf sie. Na ja, Eve würde sie nie in Panik versetzen, denn Eve war immer... Eve. Heute hatte sie einen dunkelblauen Kajalstift gewählt und richtig dick aufgetragen, und ihr Reispuder-Make-up und der marineblaue Lippenstift hätten wohl unheimlich aussehen sollen, aber stattdessen sah es einfach nur süß aus. Und normal. »Sorry«, sagte Claire. »Ich bin wohl immer noch müde. Das war echt wahnsinnig hart.« ^w
»Erzähl mal. Ich will alles ganz genau wissen.« Eve hatte gerade eine Essstäbchen-Phase. Claire sah zu, wie sie ein billiges Paar aus Bambus auspackte, sie ein paarmal probeweise in die Hand nahm und sich damit über ihr Rührei hermachte. »Musstest du was Grausiges machen?«
»Nein, es sei denn, man zählt Schlafen in Myrnins...« Oh, erst da fiel ihr ein, dass sie das nicht hätte sagen sollen, weil Shane und Michael sich beide zu ihr drehten, »...ähm Labor dazu. Nein, eigentlich nicht.«
Eve starrte sie an. »Du wolltest gerade >Bett< sagen.«
»Nein!« Claire spürte, wie ihre Wangen brannten. »Jedenfalls musste ich nur etwas reparieren. Und dann haben sie mich schlafen lassen. Keine große Sache.«
»Keine große Sache? Du warst fast fünf Tage verschwunden, Claire, ohne ein Wort zu sagen! Sie haben dich verhaftet! Selbst unser Exknacki war beeindruckt.« Damit meinte sie natürlich Shane, der selbst schon einige Zeit in Morganville hinter Gittern verbracht hatte. Shane hielt nur kurz inne beim Zwiebelschneiden, um ihr den Mittelfinger zu zeigen. »Wenn Michael und Myrnin nicht gewesen wären...«
»Michael«, sagte Claire und sah ihn an. Er wärmte gerade seine Sportflasche mit der morgendlichen Ration Null negativ in der Mikrowelle auf. »Ich habe mir schon gedacht, dass du Shane davon abhalten würdest, etwas Gefährliches zu tun.«
»War gar nicht so leicht«, sagte Michael.
Eve nickte. »Er ist an Amelie drangeblieben, bis sie ihm gesagt hat, was mit dir passiert ist, und dann hat er Shane davon abgehalten, so zu tun, als wäre er ein Ninja, der dich befreien
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