Gefaehrliche Sehnsucht
sie auch hervorkommen konnte, hatte er schon wieder das Passwort eingetippt. Die LED-Anzeige auf der Tastatur leuchtete rot.
»Fass ja nichts an«, sagte Myrnin und in seiner Stimme lag eine gewisse Kälte, die sie gar nicht an ihm kannte. »Von diesem Punkt an kann nur ich die Maschine verändern. Ich will dich nicht hier unten haben. Hast du verstanden?«
»Ja.«
»Ab jetzt trage ich die Verantwortung für die Machine«, sagte Myrnin. »Nur ich.«
Dadurch fühlte sie sich nicht gerade besser und sie schwor sich, das Passwort zu knacken. Sie musste unbedingt verstehen, was hier vor sich ging, und irgendwie war diese Maschine der Schlüssel dazu.
Der weitere Morgen verlief ruhig. Nachdem Claire Myrnin versprochen hatte, am nächsten Tag Donuts mitzubringen, ging sie nach Hause. Dabei traf sie keine verrückten oder verwirrten Leute. Alle schienen ein Ziel zu haben und zu wissen, wohin sie gingen.
Konnte es sein, dass sie tatsächlich aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hatte, weil das Schicksal des armen todgeweihten Kyle ihr einen solchen Schrecken eingejagt hatte und weil sie so erschöpft war von der brutalen Reparaturaktion an der Maschine?
Heute sah die Sache schon anders aus. Irgendwie besser. Eigentlich kam sie sich jetzt ein bisschen blöd vor, nachdem sie in ein paar Läden gewesen war und mit (für Morganviller Verhältnisse) völlig normalen Menschen gesprochen hatte, denen überhaupt nichts Seltsames aufgefallen war.
Vor dem Antiquariat traf sie auf ein vertrautes - und unwillkommenes - Gesicht. Ein Mann trat vor ihr aus einer Gasse, hielt sich im Schatten der Häuser, und sie blieb unvermittelt stehen, als ihr klar wurde, dass das Frank Collins war.
Shanes Dad sah aus wie immer - bleich, mit einer Narbe, die sein Gesicht entstellte. Sie konnte nicht sagen, was er dachte oder fühlte, aber er sah verdammt bedrohlich aus. Das war Standard bei ihm.
»Lassen Sie mich in Ruhe«,sagte Claire und wollte um ihn herumgehen.Er stellte sich ihr in den Weg. Sie trat vom Gehweg ins Sonnenlicht und das hielt ihn auf. »Lassen Sie uns einfach in Ruhe, okay?«
»Ich muss mit meinem Sohn sprechen«, sagte Frank, »Ich muss ein paar Dinge erklären. Er vertraut dir.«
»Ja, aber ich vertraue Ihnen nicht. Warum sollte ich?«
»Ich habe dir das Leben gerettet«, sagte Frank. »Darum habe ich ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit verdient, oder?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte Claire und ging weiter. »Hören Sie auf, mir zu folgen.«
Als sie sich schließlich an der Ecke umschaute, war er nicht mehr da. Sie schauderte. Frank Collins hatte jetzt etwas so Wildes an sich, dass sie hoffte, sie würde ihm nie im Dunkeln begegnen.
Sie beschloss, Shane nichts davon zu erzählen.
Gerade als sie durch das Gartentor im Lattenzaun des Glass House ging, bekam sie einen Anruf von ihrer Mutter. Sie setzte sich auf die Stufen in die warme Sonne, um mit ihr zu reden. Ihr Dad war in den Händen der erfahrensten Herzspezialisten der Welt, versicherte ihre Mom ihr. Er war gut untergebracht und sie hatte sich in einem Hotel in der Nähe ein Zimmer genommen. Oliver hatte Geld geschickt, damit sie sich später eine Wohnung mieten konnten, bis es ihrem Vater wieder einigermaßen gut ging, und dann hatte er noch versprochen, das Geld, das sie für das Haus in Morganville ausgegeben hatten, zurückzuerstatten, doch Mom war immer noch wild entschlossen zurückzukommen, sobald Dad das Schlimmste überstanden hätte.
Es passte so gar nicht zu Oliver, dass er so etwas Nettes tat. Claire nahm an, dass es ein ausdrücklicher Befehl von Amelie gewesen war, die ihm damit zeigen wollte, wer hier das Sagen hatte. So lief das oft zwischen ihr und Oliver - Oliver war kein bequemer Zweiter Vorsitzender, aber er war gut in seinem Job. Allerdings fand er, dass er es nicht verdient hatte, nur Zweiter zu sein, und Amelie musste sich ständig vor ihm in Acht nehmen.
Es tat gut zu hören, dass die Stimme ihrer Mutter zur Abwechslung mal wieder kräftig und zuversichtlich klang. Für ihre Eltern war das nicht das Richtige hier. Der Stress hatte ihren Dad krank gemacht und ihre Mutter war irgendwie... verwelkt. Da draußen war sie immer stark gewesen, aber hier in Morganville hatte sie immer schwach und verloren gewirkt.
So war es besser. Claire wollte einfach glauben, dass es so besser war. »Soll ich am Wochenende kommen?«, fragte sie. »Um Dad zu besuchen?«
»Warte vielleicht noch eine Woche, mein Schatz. Er muss noch jede Menge
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