Gefaehrliche Tiefen
Bombenanschläge auf Läden von Latinos verübt worden. Verbrechen aus Hass fielen in den Zuständigkeitsbereich des FBI . Hatte man in der Wüste nicht auch Leichen gefunden? Illegale Einwanderer aus Mexiko, wenn sie sich richtig erinnerte. Wie konnte Chase Perez ausgerechnet in diesem Fall als Undercoveragent arbeiten?
»Du hast olivfarbene Haut«, sagte sie.
Glücklicherweise hatte sich der Mann bisher als durchaus fähig erwiesen, ihren wilden Gedankensprüngen zu folgen. »Ich bin tiefbraun, was ich vor allem diesen ganzen Sonnenlampen verdanke, unter denen ich in letzter Zeit gelegen habe. Ich bin ein Skinhead, der die Sonne liebt.«
»Du hast dunkle Augen.« Ein erdiges Braun, um genau zu sein. Latino-Augen. Augen wie die amerikanischen Ureinwohner. Chaseâ Vater war mexikanisch-amerikanischer Abstammung, seine Mutter eine Vollblut-Lakota. Starchaser Perezâ Augen waren alles andere als blau. »Hat das FBI denn keinen blonden Surfer-Typ für solche Fälle?«
»Den habe ich für einen Spezialauftrag in Anchorage abgestellt. Ich glaube, er war begeistert.«
»Klar doch.« Sie sah sich im Zimmer um, ob sie irgendetwas übersehen hatte. Dort â ihr Schlaf-T-Shirt lag halb unter dem Kopfkissen.
»Ich trete nicht der Aryan Nation bei, mein Schatz. Nur zu deiner Information: Ich bin ein Italoamerikaner der dritten Generation, und meine Mama macht die besten Gnocchi, die du je probiert hast.«
Sam war sich nicht sicher, was Gnocchi waren, und hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie schmeckten. Sie seufzte. »Nicole geht aber schon mit, oder?«
»Natürlich. Sie ist aufgedonnert wie eine Fernsehpredigerin, mit hochtoupierten, blondgefärbten Haaren und allem Drum und Dran.«
Es war nicht leicht, sich Chaseâ kultivierte Partnerin mit den rotbraunen Haaren derart verändert vorzustellen. »Das würde ich gern sehen.«
»Ich habe Fotos, um sie später erpressen zu können. Man weià ja nie, wann man mal zusätzliches Geld braucht.«
Sam lachte laut auf. Das liebte sie am meisten an ihm â er konnte sie immer in gute Stimmung versetzen.
»Ich kann es kaum erwarten, eine ganze Woche mit dir zu verbringen, Summer.«
»Du kommst rechtzeitig zurück?«
Komme, was da wolle.
Auch er hatte es versprochen.
»Keine Sorge. Ich sehe uns schon mit halsbrecherischer Geschwindigkeit den Berg runterschieÃen, und du trägst einen von diesen Stretchoveralls.«
»Skiwanderungen«, verbesserte sie ihn. Sie war eher der kräftige, athletische Typ, kein schlankes Skihäschen. »Regenhose, Stulpen und Wollpullover. Ich habe keinen von diesen Stretchoveralls.«
»Ich kaufe dir einen. In einem geilen Rosa. Was zum Teufel sind Stulpen?«
»Habe ich dir erzählt, was ich der letzten Person angetan habe, die mir etwas Rosafarbenes geschenkt hat?«
»Okay, dann eben türkis. Gibt es die auch in türkis?«
»Woher soll ich das wissen? Ich trage keine Overalls. Ich soll mich in der Ãffentlichkeit mit einem Skinhead sehen lassen?«
»Ich setze mir einen Hut auf.«
»Hast du die Tätowierung dann auch noch?« Verdammt, die dreiÃig Minuten, die ihr zum Packen blieben, waren fast um. »Chase, ich muss los. Ich rufe dich morgen an.«
»Das geht nicht. Ich breche in Kürze auf. Aber schönen Valentinstag
mañana
.«
Stimmt, den hatte sie ganz vergessen. »Dir auch,
mi amor
.« Wieso war es auf Spanisch leichter ihm zu sagen, dass sie ihn liebte, als in ihrer Muttersprache?
»Bis bald,
mi colibrÃ
.«
»Wie hast du mich gerade genannt?«
»
Ciao, querida.«
Er beendete das Gespräch.
Sam nahm ihr T-Shirt vom Bett, stopfte es in den Matchsack, verschloss ihn und lud sich dann voll wie ein Packesel, um alles nach unten zu tragen. Ihr gefiel die Vorstellung, dass sie in Chaseâ Augen ein Kolibri war. Sie liebte die winzigen, widerstandsfähigen Annakolibris, die ihr Futterhäuschen selbst mitten in einem Schneesturm aufsuchten. Wenn sie doch nur halb so zäh wäre wie sie!
5
Um Viertel nach sechs schlichen sich Sam und Dan zum Hafen hinunter. Zumindest kam es Sam so vor, als würden sie schleichen. Sie hoffte, dass alle in der Stadt gerade in den Kneipen ihre Mojitos kippten oder den Blick auf den Horizont gerichtet hatten und nicht auf die beiden beladenen Touristen, die den Pier entlangschwankten. Der
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