Gefaehrliche Tiefen
einzelne so lang wie Sam groà war, flatterten in der Strömung, als ob der beeindruckende Vogel noch immer zu fliegen versuchte. Der Haken steckte in seiner Kehle.
Verdammt und noch mal verdammt!
Rasch warf sie einen Blick auf ihren Computer â es waren nur noch knapp vierzig bar übrig. Ihr lief die Zeit davon. Sie stützte sich mit dem Knie auf die Langleine und fotografierte den ertrunkenen Albatros. Die Vögel blieben ein Leben lang mit demselben Partner zusammen. Ob der Liebste dieses Vogels wohl irgendwo über den Inseln kreiste und unbeirrt auf dessen Rückkehr wartete?
Sie lieà die Kamera wieder ins Wasser hängen, griff nach dem Messer, das in einer Scheide unten an ihrer Tarierweste hing, und schnitt die Schnur durch, die zu dem Haken in der Kehle des Albatros führte. Dann steckte sie das Messer zurück in die Scheide, gab dem Kadaver einen Schubs und holte den Rest der Langleine ein.
Sie fand noch einen weiteren Haken, an dem etwas hing: ein verwesender Fisch. Als sie ihn berührte, löste sich die klebrige Masse von dem Widerhaken. SchlieÃlich hatte sie die gesamte Leine eingeholt. Inzwischen blieben ihr nur noch fünfunddreiÃig bar übrig; sie befand sich seit einer Stunde unter Wasser, länger als je zuvor. Nachdem sie die Leine um die Haken gewickelt hatte, verstaute Sam beides so in der gröÃten Tasche ihrer Tarierweste, damit die Luftblase der Weste nicht beschädigt werden konnte. Der ReiÃverschluss lieà sich nicht über das unförmige Bündel ziehen, also hielt sie die Hand über die Tasche, während sie langsam an der Flanke von Ola Rock nach oben stieg. Die Kamera klemmte Sam unter dem Arm fest und behielt den Computer im Blick, der die für den Druckausgleich nötige Zeit vorgab.
Je mehr sie sich der Oberfläche näherte, desto lauter wurde das Motorengeräusch und desto schlechter die Sicht. Sie wäre beinahe gegen das
Panga
gestoÃen, dessen graue, gummiartige AuÃenhaut plötzlich nur wenige Zentimeter von ihrer Taucherbrille entfernt auftauchte. An der Oberfläche lieà sie Luft in ihre Tarierweste und spuckte das Mundstück aus. Tat das gut, den blauen Himmel zu sehen, unbegrenzt Luft holen zu können und die Geräusche der Welt über Wasser zu hören!
Eduardo machte aus der Freude, sie zurückkehren zu sehen, kein Hehl. »Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte er und nahm ihr die Kamera ab.
»Tut mir leid, es hat länger gedauert, als ich dachte. Ich habe ein Stück von einer Langleine gefunden, die musste ich erst noch einholen.«
Eduardo runzelte die Stirn. »Die können weit treiben, vielleicht stammt sie sogar von auÃerhalb des Reservats.«
Oder auch nicht
, dachte Sam. Eduardo, wie alle anderen auf den Galapagosinseln, schien immer alles im besten Licht sehen zu wollen. »An einem der Haken hing ein Galapagosalbatros.«
»Ganz übel.« Er verzog das Gesicht. »Die Vögel sehen von oben den Köder, tauchen und verschlucken den Haken.« Er bedeutete ihr, sich umzudrehen, damit er ihr das Tankventil abnehmen konnte. Sie löste die Riemen ihrer Tarierweste und schälte sich heraus. Eduardo hievte die Druckluftflasche mitsamt der Tarierweste über die Reling des
Panga
s. Dann zog sich Sam am Bootsrand hoch und landete wie ein gestrandeter Wal bäuchlings am Boden des Boots. Sie rappelte sich hoch und betrachtete die Tafel, die von ihrem Handgelenk herabhing. Niemand auÃer ihr wäre in der Lage, das Gekrakel zu entziffern, doch ihre Erinnerung war noch frisch, also würde sie aus den Buchstaben und Ziffern voraussichtlich schon eine brauchbare Aufzählung erstellen können. Sie riss die Klettbänder ab, verstaute die Tafel sorgfältig, nahm dann ihre Flossen und ihre Taucherbrille ab, zog sich auf eine der Bänke hoch und griff nach einer Wasserflasche.
Eduardo stieà das
Panga
mit dem Ruder vom Felsen ab und gab Gas. Sam setzte sich so, dass sie zum Bug schaute. Sie konnte es kaum erwarten, ihr letztes Foto ins Internet zu stellen â ein schauriges Bild, aber ein perfektes Beispiel für das, was hier auf dem Spiel stand. »Dan«, murmelte sie und hielt die Wasserflasche in den Wind. »Das habe ich für dich getan.«
Sie löste ihren Zopf und kämmte sich das Haar mit den Fingern, damit es auf der Fahrt zurück zur
Papagayo
trocknen konnte. Nicht nur hatte sie es überlebt, allein zu tauchen,
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