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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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das wird wohl nicht nötig sein - Sie kennen sicher eine ganze Menge.«
    »Danke, das ist sehr aufmerksam von Ihnen.« Hester wurde nun doch von Gewissensbissen geplagt. »Aber krank ist, soviel ich weiß, niemand. Es geht um den Verlust einer Stellung, was eventuell zu einer Notlage führen könnte.«
    Beatrice war zum erstenmal seit Tagen vollständig angekleidet, hatte sich jedoch noch nicht in die Haupträume des Hauses vorgewagt und am allgemeinen Familienleben teilgenommen. Alles, wofür sie etwas Zeit aufgebracht hatte, waren Julia und Arthur, ihre Enkelkinder. Ihr Gesicht war blaß und eingefallen. Falls Percivals Inhaftierung sie erleichtert haben sollte, schlug es sich durch nichts in ihrem Verhalten nieder. Ihr Körper war verkrampft, und ihre Bewegungen hatten etwas Linkisches, als ob sie sich nicht wohl fühlte in ihrer Haut.
    »Das tut mir leid. Hoffentlich sind Sie in der Lage zu helfen, sei es auch nur durch Trost oder guten Rat. Manchmal ist das alles, was wir einem anderen Menschen geben können, nicht wahr?« Sie starrte Hester eindringlich, fast verzweifelt an, als ob die Antwort von immenser Bedeutung für sie wäre. Dann wandte sie sich unvermittelt ab, noch ehe Hester etwas erwidern konnte, und begann in einer Schublade ihrer Frisierkommode zu kramen.
    »Es ist Ihnen sicher nicht verborgen geblieben, daß man Percival gestern abend verhaftet hat. Laut Mary war es nicht Mr. Monk, und ich wüßte zu gern, warum. Haben Sie eine Ahnung, Hester?«
    Sofern Hester nicht in streng geheime Polizeibelange eingeweiht war, konnte sie unmöglich die Wahrheit kennen. Ihr blieb wieder keine andere Wahl, als zu lügen.
    »Nicht die geringste, Lady Moidore. Vielleicht mußte er einen neuen Fall übernehmen, woraufhin jemand anders damit beauftragt wurde. Die Ermittlungen sind schließlich abgeschlossen nehme ich wenigstens an.«
    Beatrices Finger erstarrten mitten in der Bewegung. Sie stand absolut reglos da.
    »Sie nehmen es an? Heißt das, es könnte auch anders sein? Was sollte die Polizei denn noch hier wollen? Percival ist doch schuldig oder?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Hester so ausdruckslos wie möglich »Die Polizei wird davon überzeugt sein, sonst wäre er nicht verhaftet worden. Aber bevor man ihn nicht vor Gericht stellt, können wir nichts Endgültiges sagen.«
    Beatrice zog sich zusehends in sich zurück. »Man wird ihn hängen, nicht wahr?«
    Hester spürte einen Anflug von Übelkeit. »Ja. Macht Ihnen das etwas aus?« Ein bißchen Nachbohren konnte nicht schaden.
    »Dazu besteht nicht die geringste Veranlassung… oder?« Beatrice schien über sich selbst erstaunt. »Er hat meine Tochter umgebracht.«
    »Aber es macht Ihnen etwas aus?« So leicht kam sie ihr nicht davon. »Eine ziemlich endgültige Sache, das Aufhängen von Menschen, finden Sie nicht? Kein Platz für die Berücksichtigung eventueller Fehler, keine Zeit für reifliche Überlegung…«
    Beatrice stand wie angewurzelt da, die Hände bis zu den Handgelenken in Seide, Chiffon und Spitze vergraben.
    »Reifliche Überlegung? Was meinen Sie damit?«
    An dieser Stelle trat Hester den Rückzug an. »Das weiß ich nicht genau. Vielleicht sollte man das Beweismaterial einmal von einem anderen Blickwinkel aus betrachten - falls jemand gelogen oder sich nicht mehr richtig erinnert hat…«
    »Was Sie da sagen, heißt nichts anderes, als daß der Mörder immer noch hier ist - mitten unter uns, Hester.« Beatrices Tonfall enthielt nicht die Spur von Entsetzen, nur nackten Schmerz. »Und daß derjenige seelenruhig zusieht, wie Percival in den Tod geht aufgrund einer Falschaussage.«
    Hester schluckte mühsam. Das Sprechen fiel ihr plötzlich unglaublich schwer.
    »Jedenfalls muß der Betreffende große Angst haben. Anfangs war es womöglich nur eine Art Unfall - das heißt, ein Gerangel, das nicht im Tod enden sollte. Was halten Sie davon?«
    Endlich drehte Beatrice sich um. Ihre Hände waren leer.
    »Sprechen Sie von Myles?« fragte Beatrice langsam, aber deutlich. »Denken Sie, Myles drang in ihr Schlafzimmer ein, sie versuchte sich zu wehren, er nahm ihr das Messer ab und stach sie nieder, weil er zu dem Zeitpunkt bereits zuviel zu verlieren hatte, falls sie die andern über seine Schandtat aufklären würde?« Sie lehnte sich leicht gegen die Kommode. »Genau so soll es sich abgespielt haben, allerdings mit Percival als Hauptfigur, müssen Sie wissen - aber das tun Sie natürlich längst. Sie verbringen mehr Zeit in der Gesindestube als

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