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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wäre lieber nicht dahintergekommen - obwohl ich einen Teil davon natürlich geahnt habe. Ich wußte, daß Septimus spielt, und hatte schon seit längerem den Verdacht, er würde hin und wieder eine Flasche Wein aus dem Keller stibitzen.« Sie lächelte plötzlich.
    »Letzteres hat mich eher amüsiert. Basil stellt sich immer so an mit seinem roten Bordeaux.« Ihr Gesicht verdüsterte sich wieder, jeglicher Humor verschwand. »Ich hatte keine Ahnung, daß der Wein für Fenella bestimmt war, aber es hätte mich nicht weiter gestört, wenn es geschehen wäre, um ihr eine Freude zu machen - was garantiert nicht der Fall ist. Ich glaube, er haßt sie. Sie ist das absolute Gegenteil von Christabel - der einzigen Frau, die er je geliebt hat. Trotzdem ist das wohl kaum ein Grund, jemand zu hassen, finden Sie nicht?«
    Da Hester schwieg, fuhr sie fort: »Eigenartig, wie verbittert es einen macht, abhängig zu sein und ständig daran erinnert zu werden. Weil man sich hilflos und unterlegen fühlt, versucht man wieder ein Gefühl der Macht zu bekommen, indem man einem anderen Menschen das antut, worunter man selbst zu leiden hat. Gott, wie ich diese Herumschnüffelei hasse! Es wird Jahre dauern, all das zu vergessen, was wir in jüngster Zeit übereinander erfahren haben - und dann ist es womöglich zu spät.«
    »Vielleicht könnten Sie statt dessen lernen zu vergeben?« Hester wußte, daß sie damit zu weit ging, aber es war die einzig ehrliche Erwiderung, die es gab. Und Beatrice verdiente die Wahrheit nicht nur, sie brauchte sie.
    Beatrice wandte sich ab, um an der Innenseite der Scheibe mit dem Finger die Spur der Wassertropfen nachzuzeichnen.
    »Wie vergibt man den Leuten, daß sie nicht sind, wie man sie wollte, oder wie man glaubte, daß sie wären? Vor allem, wenn es ihnen nicht leid tut, wenn sie nicht einmal verstehen?«
    »Vielleicht verstehen sie es ja«, wandte Hester ein. »Wie sollen sie uns vergeben, daß wir zuviel von ihnen erwartet haben, anstatt zu sehen, wie sie wirklich sind, und sie so zu lieben?«
    Beatrices Finger blieb mitten in der Bewegung stehen.
    »Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, nicht wahr!« Das war keine Frage. »So einfach ist das leider nicht, Hester. Sehen Sie, ich bin nicht sicher, ob Percival schuldig ist. Bin ich schlecht, weil ich Zweifel habe, obwohl das Gericht sagt, er wäre schuldig, obwohl er verurteilt worden ist und alle Welt meint, der Spuk wäre endgültig vorbei? Ich habe Alpträume, schrecke mitten in der Nacht aus dem Schlaf, weil mir die verrücktesten Verdächtigungen durch den Kopf gehen. Ich sehe meine Mitmenschen an und grüble, ich höre ihre Worte und entdecke doppelte und dreifache Bedeutungen dahinter.«
    Hester war zum zweitenmal unschlüssig. Es schien so viel netter, ihr zu sagen, daß niemand sonst schuldig sein konnte, daß sie nur unter den Nachwirkungen der wochenlangen Angst litt, daß dieses Gefühl langsam vergehen würde. Der Alltag würde Trost bringen, die furchtbare Tragödie würde in der Erinnerung relativiert werden, bis man nur noch traurig daran zurückdachte.
    Doch dann fiel ihr Percival ein, der im Zuchthaus von Newgate die wenigen Tage bis zu dem Morgen zählte, an dem es nichts mehr zu zählen gab.
    »Wenn Percival nicht schuldig ist, wer ist es dann?« Kaum klangen ihr ihre eigenen Worte in den Ohren, bedauerte sie auch schon, gefragt zu haben. Das war grausam. Aber sie konnte die Worte nicht mehr zurücknehmen.
    »Ich weiß es nicht.« Beatrice wog jedes Wort sorgfältig ab.
    »Ich liege jede Nacht im Dunkeln und denke daran, daß dies mein Haus ist, das Haus, in dem ich seit meiner Heirat wohne.
    Ich habe hier gute und schlechte Zeiten durchgemacht, fünf Kinder auf die Welt gebracht, zwei davon später verloren - und nun auch Octavia. Ich habe sie groß werden sehen, ihre guten und schlechten Zeiten miterlebt. Alles hier ist mir vertraut wie Butter und Brot oder das Klappern von Rädern auf dem Kopfsteinpflaster. Und doch kenne ich vielleicht nur die Hülle; das, was daruntersteckt, ist mir so fremd wie Japan.«
    Sie ging zu ihrer Frisierkommode und begann die Haarnadeln aus ihrer kunstvollen Frisur zu ziehen, woraufhin sich ein leuchtender, kupferfarbener Schwall über ihre Schultern ergoß.
    »Die Polizei kam hierher, anfangs voller Mitgefühl, Höflichkeit und Takt. Dann gelang es ihnen zu beweisen, daß niemand eingebrochen sein konnte, der Täter folglich jemand aus diesem Haus sein mußte. Wochenlang quälte man uns mit Fragen,

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