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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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solchen Lebensstil aus eigener Tasche finanzieren? Er steht zwar selbst auch nicht schlecht da, verglichen mit Sir Basils Rang oder Reichtum ist er allerdings ein Niemand. Und Araminta hat eine sehr enge Beziehung zu ihrem Vater, da hatte er nie eine Chance, was nicht heißen soll, daß er es je wollte. Hier gibt es viel, was er sonst nirgends haben würde.«
    »Ausgenommen das Gefühl, Herr im eigenen Haus zu sein«, sagte Hester. »Die Freiheit, sich eine eigene Meinung zu erlauben, zu kommen und zu gehen, wann es ihm gefällt, und seinen Umgang nach eigenem Geschmack auszusuchen.«
    »O ja, das alles hat seinen Preis«, bestätigte Septimus trocken.
    »Manchmal finde ich ihn unverschämt hoch.«
    Hester runzelte die Stirn. »Was ist mit dem Gewissen?« Sie war sich deutlich bewußt, in welch gefährliches Fahrwasser sie diese Frage bringen konnte, welche Fallstricke sie für Septimus und sich selbst bereithielt. »Riskiert man nicht, aus lauter Verpflichtungsgefühl so tief in Kompromissen zu versinken, daß man sich selbst völlig aufgibt, wenn man von der Mildtätigkeit anderer lebt?«
    Septimus schaute sie mit traurigen Augen an. Sie hatte ihn rasiert und dabei festgestellt, wie dünn seine Haut war. Er sah älter aus, als er in Wirklichkeit sein konnte.
    »Sie denken an Percival und den Prozeß, richtig?« Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
    »Ja. Sie haben alle gelogen, nicht wahr?«
    »Natürlich. Obwohl sie es kaum so gesehen haben werden. Sie haben das ausgesagt, was den eigenen Interessen am dienlichsten war, aus welchem Grund auch immer. Man müßte schon sehr mutig sein, um Basil die Stirn zu bieten.« Er bewegte ein wenig die Beine, um es bequemer zu haben. »Ich nehme nicht an, daß er jemand aus dem Haus jagen würde, aber das Leben würde jeden Tag unangenehmer werden - endlose Beschränkungen, zahllose Demütigungen, viele kleine Kratzer auf der polierten Oberfläche des Selbstwertgefühls.« Er sah zu dem riesigen Gemälde hinüber. »Abhängig zu sein macht einen verdammt verletzlich!«
    »Und Octavia wollte gehen?« half Hester ihm nach einer Weile auf die Sprünge.
    Er kehrte in die Gegenwart zurück. »Ja, von Anfang an, aber Harry hatte nicht genug Geld, um so für sie zu sorgen, wie sie es gewöhnt war - worauf Basil selbstverständlich nicht versäumte, ihn hinzuweisen. Er war ein Zweitgeborener, wissen Sie. Keine Aussicht auf eine Erbschaft. Sein Vater war sehr wohlhabend. Hat dieselbe Schule besucht wie Basil. Ich glaube, Basil war sogar sein ›Fag‹, ein jüngerer Schüler, der für einen älteren alle möglichen Sklavenarbeiten verrichten muß - oder kannten Sie den Begriff schon?«
    »Ja«, sagte Hester und dachte an ihre eigenen Brüder.
    »Ein bemerkenswerter Mann, dieser James Haslett«, fuhr Septimus nachdenklich fort. »Ziemlich begabt und obendrein sehr nett. Ein guter Sportler, ein ausgezeichneter Musiker, eine Art verkappter Dichter und ein kluger Kopf. Hatte eine prächtige blonde Mähne und ein wundervolles Lächeln. Harry war ihm sehr ähnlich, trotzdem hat er seinen gesamten Besitz natürlich dem ältesten Sohn vermacht. Wie jeder.«
    Seine Stimme klang plötzlich eine Spur bitter. »Octavia hätte eine Menge verloren, wenn sie hier ausgezogen wäre. Und wenn sich Kinder eingestellt hätten, was beide unbedingt wollten, hätten sie sich finanziell noch mehr einschränken müssen. Octavia war dazu bereit, aber Harry konnte es selbstverständlich nicht zulassen.«
    Er rutschte wieder etwas auf der Matratze herum, um bequemer zu liegen. »Basil schlug ihm eine Karriere bei der Armee vor und bot ihm an, ein Offizierspatent für ihn zu erwerben - was er auch tat. Harry war zum Soldaten geeignet; er besaß Führungstalent, und seine Männer liebten ihn. Leider war es nicht das, was er wollte, denn es bedeutete zwangsläufig lange Trennungszeiten - was Basil meiner Ansicht nach mit dem Ganzen bezweckt hatte. Er war von vornherein nicht mit der Verbindung einverstanden, vermutlich wegen seiner Abneigung gegen James Haslett.«
    »Harry wollte das Offizierspatent also benutzen, um genug Geld für sich und Tavie zusammenzubringen, damit sie sich ein eigenes Haus leisten konnten?« Hester sah die Situation der beiden deutlich vor sich. Sie war so vielen Offizieren begegnet, daß es ihr nicht schwerfiel, sich Harry Haslett als eine Mischung aus den Hunderten junger Männer vorzustellen, die sie in allen erdenklichen Gemütsverfassungen erlebt hatte: Sieg und Niederlage, Mut

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