Gefaehrliche Ueberraschung
auch nur erwähnt, weil meine Mutter heute früh mit Imus im Radio über Kinderbücher sprach.«
»Wahrscheinlich war es das. Allerdings kommt es vor, dass Entführungsopfer versuchen, versteckte Tipps zu geben.«
»Oh, wen sehe ich denn da?«, rief jemand quer durch den Raum.
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Jack und Regan blickten hoch und sahen Lucy auf sich zukommen.
»Sie können wohl gar nicht genug voneinander bekommen, was?« Ihre Blicke wanderten durch die Cafeteria. »Ich mache hier immer einen kleinen Erkundungsgang, bevor ich nach Hause gehe. Aber wie üblich ist kein Doktor Kildares in Sicht.« Sie zuckte mit den Schultern und sah Regan an. »Ihre Mutter ist offenbar jemand, der sich unbedingt bedanken muss. Gerade hat sich eine Freundin von ihr bei mir nach dem Typ erkundigt, der den Teddy gekauft hat.«
Regan und Jack sahen sich an. »Alvirah«, sagten sie wie aus einem Mund.
illy und Cordelia warteten auf einer Couch der EinW gangshalle, bis Alvirah den Kiosk wieder verließ.
»Nun, ich habe tatsächlich etwas in Erfahrung gebracht«, berichtete sie stolz.
»Was denn, Schatz?«, strahlte Willy sie an.
»Der Mann, der das Plüschtier kaufte, trug eine Einkaufstüte von Long’s bei sich.«
»Aber das wusstest du doch bereits.«
»Ja, aber Lucy – das ist die Verkäuferin – erinnerte sich daran, dass in dieser Tüte etwas Rotes lag. Eine Jacke, ein Pullover, irgendein Kleidungsstück eben.«
»Und?«, fragte Cordelia.
»Oh, ich weiß, es ist nicht viel, aber immerhin etwas«, seufzte Alvirah. »Vielleicht hilft es dem Gedächtnis der Kassiererin bei Long’s auf die Sprünge, wenn ich sie morgen ausfrage.«
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Sie traten auf die Straße hinaus.
Alvirah und Willy setzten Cordelia, die nach Hause wollte, in ein Taxi und winkten dann ein zweites für sich heran. »Central Park South«, sagte Willy zum Fahrer.
Es war schon spät und die Temperaturen sanken immer weiter, aber in den Straßen herrschte eifriges Geschiebe und Ge-dränge. »Hier sieht es um diese Zeit immer besonders schön aus«, meinte Alvirah versonnen, als sich das Taxi dem Plaza Hotel näherte. »Weihnachten ist ein so frohes Fest.« Sie dachte an Noras traurige Augen und schüttelte den Kopf.
Als sie nach Hause kamen, schlüpfte Alvirah in ihren bequemsten Morgenrock, brühte sich eine Kanne Tee und setzte sich an den Esszimmertisch. Der Tag endet, wie er begonnen hat
– mit dem Abhören eines Bandes, dachte sie, als sie den Recorder einschaltete.
Sie hörte sich die Mitschnitte in chronologischer Reihenfolge an. Zunächst den Anruf der Entführer mit der Lösegeldforderung, dann das Gespräch mit Fred Torres in Rositas Wohnung.
Das letzte spielte sie zweimal ab und stoppte jedes Mal an der-selben Stelle. »Vielleicht hat es nichts zu bedeuten, dennoch werde ich ihn danach fragen«, murmelte sie vor sich hin und machte sich eine Notiz.
Als sie die Richtungsanweisungen des Entführers an Regan abhörte, kam Willy ins Esszimmer.
»Welchen Eindruck macht der Bursche auf dich?«, wollte Alvirah wissen.
»Er hat seine Stimme verstellt. Er ist schlau genug, die Gespräche kurz zu halten, damit man ihn nicht lokalisieren kann.
Er hat die Lösegeldübergabe ungemein sorgfältig geplant.«
»Er war so raffiniert, Noras Plot für seine Zwecke zu nutzen, und bis zu einem gewissen Punkt hat das ja auch funktioniert. Aber jetzt hör dir das mal an.« Sie spielte ihm die Aufnahme des Gesprächs vor, bei dem Regan kurz mit Luke und Rosita reden durfte.
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»Fällt dir irgendetwas auf?«
»Die Worte sind weniger deutlich zu verstehen als bei den späteren Anrufen«, stellte Willy fest.
»Stimmt. Der Empfang ist nicht gut. Möglicherweise liegt das an den örtlichen Bedingungen des Verstecks. In manchen Ge-genden kommt es zu Interferenzen.« Alvirah spulte zurück und drückte erneut auf die Play-Taste. »Und was sagen dir Luke Reillys Äußerungen?«
»Nun, der arme Kerl rief sich offenbar sein Leben ins Ge-dächtnis zurück. In seiner Situation nur verständlich. Trotzdem…«
»Was trotzdem?«
»Trotzdem habe ich das Gefühl, dass er die Sache mit Regans Kinderbuch irgendwie betont. Ganz so, als wollte er sie auf etwas hinweisen.«
»Genau dieses Gefühl habe ich auch.«
Willy warf einen Blick auf Alvirahs Block. »Was hast du dir da notiert?«
»Danach möchte ich Fred Torres morgen fragen. Rosita meinte zu ihm, Luke wäre stets die Ruhe selbst gewesen. Ich möchte wissen, ob sie das allgemein meinte oder sich auf einen bestimmten
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