Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit
sie ihn mal einen Tag für Wartungsarbeiten wegbringen mussten. Vielleicht wäre morgen genau der richtige Tag dafür. Wenn er Grace mit aufs Dach nahm, sollte sie jedenfalls nicht mitbekommen, dass dort rund um die Uhr ein Hubschrauber bereitstand, um sie zur Not auf der Stelle zu evakuieren.
Aber das Dach würde ihr nicht genügen. Sie fragte ihn, wann sie wieder ungehindert über die Straßen Manhattans spazieren konnte.
Die Antwort lautete: niemals. Jedenfalls nicht über die Straßen von Manhattan. Aber für diese Wahrheit war sie noch nicht bereit.
„Sobald ich die Lage unter Kontrolle habe. Ich verspreche dir, ich werde einen Ausweg finden. Irgendwann wirst du dich wieder ganz frei bewegen können. Du hast mein Wort.“ Sie würde sich frei bewegen können. Nur nicht in New York. Und nicht in den Vereinigten Staaten.
Für den Moment hatte Drake nicht vor, auch nur einen Fuß außerhalb des Gebäudes zu setzen – und, wichtiger noch, er würde keinesfalls zulassen, dass sie es tat – , bis er seine Pläne in die Tat umgesetzt hatte und wusste, wohin sie gehen würden und wie.
Grace musterte seine Augen eindringlich. „Und du hältst immer dein Wort, oder?“, fragte sie ruhig. „Das ist dir wichtig: ein Mann zu sein, der zu seinem Wort steht.“
Wie gut sie ihn kannte. Geradezu erschreckend.
Es stimmte, er war ein Mann, der zu seinem Wort stand. Selbst in dem Geschäftszweig, in dem er tätig war, war sein Wort eine Garantie. Lange Zeit war seine Würde das Einzige, was er auf der Welt hatte. Sein Wort. Er würde eher sterben, als darauf zu verzichten.
„Ja, ich halte meine Versprechen. Du wirst wieder das Tageslicht sehen. Und wenn es so weit ist, wohin möchtest du dann gehen? Was möchtest du tun?“
„Im Central Park spazieren gehen“, lautete ihre prompte Antwort. „Zum Bauernmarkt gehen. Mir ein paar neue Galerien ansehen.“
Scheiße, wie sehr hing sie an Manhattan? Würde sie sehr leiden, wenn sie es verlassen musste? Der Gedanke lag ihm schwer auf der Brust.
„Was noch? Was gibt es denn außerhalb von New York, das dich interessiert?“
Sie blickte zu ihm auf. „Die Welt“, sagte sie einfach. „Ich wollte immer schon reisen. Wie gesagt, mein Traum ist es, Rom zu sehen, Paris, London. Und den Osten. Ich lese schrecklich gerne Reiseführer und stelle mir dann vor, dass ich in einem tibetischen Tempel bin oder in einem mandir , einem Hindutempel. Aber ich hatte nie das Geld.“
„Ich sage es nicht gerne, aber ich bin froh, dass du im letzten Jahr nicht gleich auf und davon bist.“ Er nickte in Richtung der Bilder, die in seinem Arbeitszimmer keinen Platz mehr gefunden hatten und die jetzt die Wände der Bibliothek schmückten. So wie sie seinen Arm schmückte. Er fuhr mit dem Finger über ihr Gesicht, ganz langsam, und genoss es, sie zu spüren. „Denn umso reicher bin ich nun.“
Sie schmiegte sich in seine Hand und lächelte. „Ich widerspreche dir nicht gerne, aber ich bin es, die reich geworden ist. Du hast mir geradezu unanständig viel Geld bezahlt. Dank dir habe ich im vergangenen Jahr mehr verdient als in den zehn Jahren davor zusammen.“
„Das war es wert“, sagte er.
„Weißt du eigentlich, dass du meine Bilder auch für die Hälfte von dem, was du bezahlt hast, hättest haben können?“
„Das war es wert“, wiederholte er.
Sie drehte sich in seinen Armen, lächelte und legte ihr Gesicht an seinen Hals, wobei ihre Brüste seine Brust streiften.
Sein Schwanz pulsierte erwartungsvoll. Vielleicht jetzt …
„Ich bin froh, dass du … “, begann sie, doch dann riss sie die Augen auf und starrte auf etwas, das hinter seiner Schulter lag. „Oh! Sieh dir das nur an!“
Drake erstarrte, bereit, sie zu Boden zu stoßen und sich einer neuen Gefahr entgegenzustellen, als er ihr Gesicht erblickte. Entspannt. Lächelnd. Was auch immer es war, das sie gerade sah, es stellte keine Gefahr für sie dar. Er folgte ihrem Blick und wandte den Kopf.
Schnee.
Während er sie in den Armen gehalten hatte, war die Nacht hereingebrochen. Er hatte nicht daran gedacht, die Vorhänge vorzuziehen, und jetzt war die nächtliche Skyline Manhattans durch die Fensterfront zu sehen, weicher durch den fallenden Schnee.
Sogleich bezog er diesen Umstand in seine Berechnungen über den Ablauf der nächsten Tage mit ein. Der Schnee würde alles verlangsamen. Die Menschen kamen später zur Arbeit, manche tauchten gar nicht auf. Sein Meisterfälscher, Yannick Zigo, sollte ihm eigentlich
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