Gefährlicher Verführer
herrschsüchtig, dominant und manchmal nur schwer zu ertragen. Auch Julian
versucht ständig, mir Vorschriften zu machen. Aber man muss sich einfach gegen
sie behaupten.«
Aufgebracht fuhr sich Syndil
durchs Haar. »Du und Rusti vielleicht, aber ich gehöre zu niemandem. Ich kann
tun und lassen, was ich will.«
Tempest ließ sich in einen
bequemen Sessel sinken. Sofort schmiegten sich die beiden Leoparden an ihre
Beine. »Ich gehöre nicht zu Darius. Warum glaubt eigentlich jeder, ich wäre
seine Freundin? Und selbst wenn ich es wäre, müsste ich deswegen noch längst
nicht seine Befehle befolgen.«
»Rusti«, erklärte Desari
sanft, »du kannst dich Darius nicht widersetzen. Das gelingt niemandem, nicht
einmal einem von uns, und wir verfügen über einige Fähigkeiten. Wenn sich karpatianische
Gefährten miteinander verbinden, hat diese Verbindung keine Ähnlichkeit mit
der Ehe der Sterblichen. Es geht um viel mächtigere Instinkte. Für jeden von
uns gibt es nur einen Gefährten. Und für Darius bist du die andere Hälfte
seiner Seele, das Licht in seiner Finsternis. Du kannst diese Dinge nicht
ändern, nur weil du dich vor ihnen fürchtest.«
Syndil nickte zustimmend.
Dann nahm sie eine Bürste zur Hand, löste die Spange aus Tempests Haar, um die
üppige rotgoldenem Mähne zu bändigen. »Darius geht immer sehr zärtlich mit dir
um, doch in ihm lauert die Finsternis. Du musst verstehen, was er ist. Du
kannst ihn nicht mit einem Sterblichen vergleichen. Er ist kein Mensch. Darius
ist durchaus dazu in der Lage, dir seinen Willen aufzuzwingen, wenn es um deine
Sicherheit geht. Es ist die erste Pflicht unserer Männer, die Frauen zu
beschützen.«
»Warum? Warum sind sie so
herrschsüchtig? Es treibt mich in den Wahnsinn.«
Desari seufzte leise.
»Darius hat schon unzählige Male unser Leben gerettet. Beim ersten Mal war er
erst sechs Jahre alt. Er hat viele Wunder vollbracht, doch dazu musste er fest
an sein eigenes Urteilsvermögen glauben. Damit geht eine gewisse Arroganz
einher.«
Tempest schnaubte wenig
damenhaft, während sie gleichzeitig fasziniert Desaris Worten lauschte. In
Darius' Erinnerungen hatte sie einen Teil seines bisherigen Lebens gesehen und
kannte einige der Geschichten. Immer wieder war sie erstaunt über seinen
unerschütterlichen Willen, seine kleine Familie am Leben zu erhalten.
»Julian hat mir erzählt,
dass das karpatianische Volk vom Aussterben bedroht ist«, fuhr Desari fort. »Es
gibt nur wenige Frauen, weniger als zwanzig, Syndil und mich eingerechnet. Wir
sind die Zukunft unseres Volkes. Ohne uns haben die Männer keine Möglichkeit zu
überleben. Früher war es wohl so, dass eine Frau etwa hundert Jahre wartete,
ehe sie sich mit ihrem Gefährten niederließ und Kinder bekam. Doch jetzt bleibt
den Männern keine andere Wahl, als ihre Gefährtinnen schon in jungen Jahren an
sich zu binden. Es ist für alle karpatianischen Männer sehr wichtig, dass uns
nichts geschieht«, sagte Desari. »Das musst du einsehen.«
Tempests Herz schien einen
Schlag auszusetzen. Bislang hatte sie es vorgezogen, nicht allzu gründlich
darüber nachzudenken, in welche Situation sie geraten war. Doch bei Desaris
Erklärungen war plötzlich lähmende Furcht in ihr aufgestiegen. Ängstlich
presste sie die Lippen zusammen. Die beiden anderen Frauen hörten, dass ihr
Herz plötzlich viel schneller schlug. Sie war eine Sterbliche, keine
Karpatianerin, und fühlte sich in dieser Welt nicht sicher.
Desari ließ sich vor Tempest
auf die Knie sinken. »Bitte habe keine Angst vor uns«, meinte sie leise und
eindringlich. »Du bist unsere Schwester, eine von uns. Niemand aus unserer
Familie würde dir etwas antun. Und Darius würde sein Leben für dich opfern.
Nein, er opfert sein Leben für dich.« Ihre dunklen Augen füllten sich mit
Tränen.
Tempest erschrak über
Desaris offensichtlichen Kummer und ihre Wortwal. »Was willst du damit sagen«
»Wir Karpatianer verfügen
über eine sehr, sehr lange Lebenszeit, Rusti. Für uns ist es gleichzeitig ein
Segen und ein Fluch. Du bist Darius' Gefährtin, aber eine Sterbliche, daher hat
er sich dazu entschlossen, wie ein Sterblicher zu leben. Er zieht es vor, zu
altern und mit dir zu sterben, statt seine Unsterblichkeit zu bewahren«,
erläuterte Desari sanft.
»Die ersten Anzeichen deuten
bereits darauf hin«, fügte Syndil hinzu. »Er lehnt es ab, sich in der Erde zur
Ruhe zu legen.«
»Was bedeutet das?«, hakte
Tempest neugierig nach. Darius sprach oft
Weitere Kostenlose Bücher