Gefährliches Doppel - Duisburg-Krimi
warum sie so aufgebracht war, unabhängig davon, ob er tatsächlich Inken vor sich hatte. Nach wenigen Metern holte er sie ein, doch sie lief weiter und starrte stur geradeaus. Da er sicher war, dass sie ihm vorerst keine Auskunft geben würde, ging er eine Weile stumm neben ihr her. Verstohlen warf er hin und wieder einen Blick auf ihr hübsches Profil. Sie weinte. Die Tränen rollten an ihrer zierlichen Nase entlang.
Einige Hundert Meter weiter hörte sie auf zu weinen.
»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich unerwartet. »Aber ich bin ganz durcheinander. Der Mann von Frau Martini hat mich soeben fristlos entlassen.«
»Entlassen?«, fragte Pielkötter ungläubig.
»Weil ich Sie unerlaubterweise ins Haus gebeten habe«, erklärte Frau Gerhardt, »aber das war natürlich ein Vorwand. Meine Anwesenheit war ihm schon lange ein Dorn im Auge.«
»Ich weiß ja nicht, was zwischen Ihnen vorgefallen ist, aber wenn es nur das ist ... Damit kommt Ihr Arbeitgeber nicht durch«, erwiderte Pielkötter empört. »Ich kann Ihnen helfen. Laufen Sie mit mir zum Wagen zurück.«
Frau Gerhardt nickte nur müde.
Überzeugt wirkte sie nicht gerade, dachte Pielkötter, als sie seiner Aufforderung folgte. Wahrscheinlich hatte sie einfach keine Kraft mehr, sich zu wehren. Aufgewühlt hielt er ihr die Wagentür auf. Immerhin stand er kurz davor, das Geheimnis um Inken zu lüften.
»Wo können wir in aller Ruhe einen Kaffee trinken? Schlagen Sie etwas vor. Schließlich bin ich nicht ganz unschuldig an Ihrem Dilemma.«
»Kennen Sie den Hafensturm in Homberg? Das sind zwar einige Kilometer bis dahin, aber meine Schwester wohnt dort in der Nähe. Die fährt mich dann später nach Hause. Heute Abend möchte ich einfach nicht alleine sein.«
»Dieser Biergarten direkt hinter der kleinen Brücke, die über den Kanal zwischen Yachthafen und Rhein führt?«
»Keine Ahnung, ob das ein Kanal ist, aber die Brücke ist blau angestrichen und mit übergroßen Nieten zusammengeschweißt.«
»Dann meinen wir wohl denselben Biergarten.«
Während Pielkötter den Motor anließ, heulte Frau Gerhardt noch einmal leise in ein kleines Stofftaschentuch. Pielkötter versuchte, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Genau das aber fiel ihm in Inkens Gegenwart, oder wer die Frau auch immer sein mochte, äußerst schwer.
Schon nach kurzer Zeit verlief die Fahrt mehr oder weniger nah am Rhein entlang. Hin und wieder versperrten Häuser oder Deiche die direkte Sicht auf den Strom.
Der Hafensturm lag etwas unterhalb der Straße, dafür aber mit traumhafter Aussicht auf die neue Homberger Brücke, den breiten Strom und das gegenüberliegende Ufer mit der Ruhrorter Promenade. Als sie ausstiegen, hatte sich Frau Gerhardt wieder etwas gefangen. Pielkötter überlegte, ob sie lieber an den schmalen Biertischen in der ersten Reihe mit bestem Rheinblick Platz nehmen sollten oder an einer der hinteren runden Tische mit bequemen Sesseln. Frau Gerhardt steuerte jedoch direkt auf eine der unbesetzten Bänke zu.
»Das ist hier wie in Bayern«, erklärte sie.
Darauf konnte sich Pielkötter keinen Reim machen – angesichts der Flusslandschaft und dem, was soeben vom Nachbartisch zu ihnen herübertönte: »Boh glaubse, dat war vielleicht ein Dingen!« Was war hier bayerisch? Er blickte sie fragend an.
»Hier wird nicht bedient. Sie müssen den Kaffee selbst aus dem Hafensturm holen.«
»Kaffee also. Vielleicht einen Cognac dazu?« Jedenfalls hatte Inken gelegentlich einen guten Cognac zu schätzen gewusst.
Frau Gerhardt jedoch schüttelte den Kopf, allerdings für Pielkötters Begriffe nicht energisch genug. Zudem erhob sie keine Einwände, als er mit dem Kaffee und einem doppelten Braunen zurückkehrte.
»Ich bin gern hier«, erklärte sie, während sie in Richtung Rhein starrte. »Die vorbeifahrenden Schiffe haben etwas Beruhigendes. Vielleicht wollte ich auch deshalb hierher, nicht nur wegen meiner Schwester. Sehen Sie dahinten dieses kleine Stückchen vom Schornstein mit den weißen Ringen?«
Dabei deutete sie mit der Hand zur Promenade von Ruhrort. Pielkötter erkannte zunächst nur das mehrstöckige Hotel, in dem ein italienisches Restaurant in der obersten Etage mit phantastischer Aussicht das ebenso phantastische Essen zu einem Erlebnis werden ließ. Den Namen hatte er allerdings vergessen. Etwas weiter links erkannte er nun auch den Schornstein. Aber eigentlich war ihm der herzlich egal. Das zögerte alles nur die Antwort auf die Frage hinaus, die ihm
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