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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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scheint keine andere Erklärung zu geben, die sich beweisen ließe, und ich hatte gehofft, hier in Wien etwas zu finden. Vielleicht einen Feind aus den Tagen des Aufstands.«
    Eine Mischung aus Ironie und Kummer überzog Niemanns Gesicht. »Wer hat dreizehn Jahre lang gewartet?«, sagte er ungläubig.
    »Warum?«
    Ein Kellner kam vorbei, und Monk bat Niemann um Erlaubnis, dann bestellte er Kaffee mit Sahne und Kakao, und Niemann bestellte einen zweiten Kaffee mit heißer Milch.
    »Natürlich gab es bei uns damals Streitigkeiten, Liebe und Hass, wie in jeder anderen Gruppe. Aber all das war in wenigen Stunden vergessen. Es gab weit Wichtigeres.« Seine Augen strahlten, seine Augenbrauen hoben sich ein wenig. Das Geschirrklappern und die Stimmen um ihn herum schienen weit weg zu sein. »Es war leidenschaftlich, ging auf Leben und Tod, aber es war politisch. Wir kämpften für Freiheit von der habsburgischen Tyrannei, gegen Gesetze, die Menschen erdrückten und uns daran hinderten, unser Schicksal selbst zu bestimmen. Unbedeutende Dinge waren schnell vergessen. Wir haben nicht gewartet, um unsere Feinde dreizehn Jahre später in London umzubringen, wir schossen sie damals offen nieder.« Er lächelte, und seine Augen strahlten.
    »Wenn es etwas auf Erden gab, was Elissa auf den Tod nicht leiden konnte, dann waren es Heuchler – Männer oder Frauen, die vorgaben, etwas zu sein, was sie nicht waren. Es war die ganze höfische Scharade, das zweierlei Maß, das sie für die Revolution begeisterte.«
    »Glauben Sie, Kristian könnte Elissa umgebracht haben, vielleicht unbeabsichtigt, bei einem Streit, der außer Kontrolle geriet?«, fragte Monk schlicht.
    Niemann schien darüber nachzudenken. »Nein«, sagte er endlich. »Wenn Sie mich gefragt hätten, ob er während des Aufstands getan hätte, falls sie uns verraten hätte, hätte ich vielleicht Ja gesagt, aber er hätte weder gelogen noch die zweite Frau umgebracht, das Modell.« Er sah Monk direkt an, ohne dass ein Schatten über sein Gesicht glitt. Er war vollkommen offen, hielt kein tieferes, schreckliches Geheimnis verborgen. Das Wort »verraten« war ihm ohne Zögern über die Lippen gekommen, weil es für ihn im Zusammenhang mit Elissa keine Bedeutung hatte.
    Monk war nicht darauf erpicht, es ihm zu erzählen, um zu sehen, wie er zunächst ungläubig, dann wütend reagierte, es leugnete und am Ende doch akzeptierte.
    »Sie kennen ihn gut.« Es war halb als Feststellung, halb als Frage formuliert.
    Niemann sah auf. »Ja, wir haben Seite an Seite gekämpft. Aber das wissen Sie.«
    »Manchmal ändern die Menschen sich im Laufe der Jahre, manchmal auch ganz plötzlich, durch ein Ereignis, zum Beispiel den Tod eines Menschen, der ihnen nahe steht.« Er beobachtete Niemanns Gesicht.
    Niemann spielte mit seiner Kaffeetasse, drehte sie auf der Untertasse immer wieder im Kreis. »Kristian veränderte sich nach Hanna Jakobs Tod«, sagte er schließlich. »Ich weiß nicht, warum. Er sprach nie darüber. Aber er war stiller, zog sich häufig … zurück, als müsste er gründlicher über seine Überzeugungen nachdenken. Seine Führungs- qualität litt. Es fiel ihm schwerer, Entscheidungen zu treffen. Er trauerte mehr um unsere Verluste. Ich glaube nicht, dass er danach jemanden hätte umbringen können,
    selbst wenn die Sache es erfordert hätte. Er hätte gezögert, nach einem anderen Weg gesucht … möglicherweise sogar die Gelegenheit verpasst.«
    »Und Sie wussten nicht, warum?«, fragte Monk, der gezwungen war, nachzubohren, um zu sehen, ob Niemann etwas von dem Verrat ahnte, oder ob alles, was er wusste, das schleichende Schuldgefühl in Kristian war, die Er- kenntnis seiner Bigotterie, die ihn auch danach noch quälte.
    »Nein«, antwortete Niemann. »Er konnte nicht darüber reden. Ich habe nie erfahren, was es war.«
    »Glauben Sie, Elissa wusste es?«
    Niemann dachte eine ganze Weile nach, bevor er schließlich mit trauriger Stimme antwortete: »Nein. Ich glaube, sie wollte es wissen, aber sie fürchtete sich auch davor. Ich glaube nicht, dass sie ihn gefragt hat.«
    Monk beugte sich ein wenig über den Tisch. »Sie waren letztes Jahr dreimal in London. Jedes Mal trafen Sie sich mit Elissa, aber nicht mit Kristian. Sie ließen ihn nicht einmal wissen, dass Sie in England waren. Was ist mit Ihrer Freundschaft passiert, dass Sie so etwas getan haben?«
    Niemann sah ihn an und wandte den Blick ab. »Woher wissen Sie das?«
    »Wollen Sie behaupten, es stimmt

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