Gefährliches Geheimnis
jemand hat Sarah getötet, und Elissa wurde zufällig Zeugin? Wer?« Seine Miene war reinster Unglaube. »Sie hat nie jemandem was zu Leide getan. Ein paar dumme Streitigkeiten, wie bei jedem.«
»Vielleicht hat sie etwas erfahren, was sie nicht erfahren sollte?«, meinte Monk.
»Legen Sie den Teppich zurück!«, wiederholte Runcorn. Schweigend gehorchte Allardyce und zog die Teppiche
mit Monks Hilfe an die alte Stelle. Sie waren weder groß
noch schwer, und er war fast fertig, als Monk direkt unter der fransenbesetzten Kante eines Teppichs in einem der Kieferbretter ein Astloch entdeckte. »Das habe ich vorher nicht bemerkt!«
»Weil ich die Ecken darüber gelegt habe«, erklärte
Allardyce ihm.
Monk stellte seinen Fuß auf die Fransen und schob sie zur Seite, so dass das Loch wieder sichtbar wurde. Er warf Runcorn einen Blick zu und sah Begreifen in seinen Augen aufblitzen. »Geben Sie mir einen Meißel oder eines dieser schweren Messer«, befahl er Allardyce.
»Warum? Was ist los?«
»Machen Sie schon!«, fuhr Monk ihn an.
Allardyce gehorchte und reichte ihm einen kleinen Klauenhammer, und einen Augenblick später hörte man Holz splittern und Nägel quietschen, die herausgestemmt wurden, als das Brett mit dem Astloch hochgehoben wurde. Im Staub darunter lag, im Licht glitzernd, ein zierlicher goldener Ohrring, dessen Öse mit Blut befleckt war.
»Der gehörte Elissa«, sagte Allardyce nach einem Augenblick völligen Schweigens. »Ich habe ihn gemalt, ich weiß es.« Seine Stimme schnappte über. »Aber da hat Sarah gelegen! Das ergibt keinen Sinn.«
»Doch, das tut es«, sagte Monk leise. »Es bedeutet, dass Elissa zuerst umgebracht wurde. Der Ohrring wurde ihr aus dem Ohr gerissen, als der Täter seinen Arm um ihren Hals gelegt … und ihr das Genick gebrochen hat. Der Ohrring verfing sich vielleicht in seinem Ärmel und wurde herausgerissen, als sie kämpfte. Er merkte nicht, dass er runterfiel. Als Sarah hereinkam und sah, dass Elissa tot war, hat er auch sie umgebracht, und sie fiel zu Boden, auf die Stelle, wo der Ohrring verschwunden war.«
Allardyce fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, was eine Spur grüner Farbe auf seiner Wange hinterließ.
»Arme Sarah«, sagte er leise. »Alles, was sie je getan hat, war, schön zu sein. Und am falschen Ort.«
Runcorn schob die Hände tief in seine Taschen und starrte Monk an. Er sagte nichts, aber das war auch nicht nötig. Der Zeitpunkt war gekommen, wo sie der Sache nicht mehr ausweichen konnten: Nicht Sarah hatte der Anschlag gegolten. Es waren weder Spieler noch Schuldeneintreiber gewesen. Max Niemanns Besuche in London, seine Treffen mit Elissa, von denen Kristian nichts wusste, waren ein Motiv. Die bezahlten Schulden machten es sogar noch schlimmer. Entweder war es Kristians allerletztes Geld gewesen oder, noch schlimmer, Geld, für das Elissa sich verkauft hatte.
»Ich gehe ins Krankenhaus«, sagte Runcorn müde. »Sie müssen nicht mitkommen, wenn Sie nicht möchten.«
»Ich komme mit«, antwortete Monk. Er bückte sich, hob den zierlichen Ohrring hoch und ließ ihn in Runcorns Hand fallen.
»Sie können Ihre verdammten Teppiche hinlegen, wo Allardyce antwortete nicht, stand nur mit gesenktem zu schaffen machen, verhafte ich Sie als Komplizen. Haben Sie mich verstanden?«
Mit ungeschickten Händen öffnete sie ihr Retikül und Kopf mitten im Raum, während Monk und Runcorn hinausgingen, die Treppe hinunterstiegen und wieder hinaus in den Regen traten.
8
Als Monk am nächsten Morgen früh das Haus verließ, waren Hesters Gedanken, fast noch bevor seine Schritte verklungen waren und sie die Haustür zufallen hörte, wieder mit der Sorge erfüllt, Charles könnte etwas mit Elissas Tod zu tun haben. Sie ragte so scharf und schmerzlich über ihr auf, dass sie fast wünschte, der unsignierte Brief, den Charles ihr dagelassen hatte, wäre ein Liebesbrief von einem Mann und nicht ein Beweis, dass Elissa Imogen zum Spielen verleitete, was sich zu einer Abhängigkeit ausgewachsen hatte.
Sie musste es herausfinden. Solange die Sache nicht geklärt war, war alles möglich. Auch, dass die Nachricht nicht von Elissa war und die beiden Frauen sich nie begegnet waren. Vielleicht hatte Charles eine ganz harmlose Erklärung dafür, dass er Hester angelogen hatte, als er behauptete, er sei die Drury Lane hinuntergefahren. Vielleicht hatte es gar nichts mit Elissa zu tun und könnte einfach nur peinlich sein.
Sobald Mrs. Patrick, die Haushälterin, da
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