Gefährliches Geheimnis
nützt nichts, so zu tun, als könnte Kristian nicht schuldig sein, nur weil wir an seine Unschuld glauben.«
»Aber es wurde niemand vergewaltigt!«, widersprach Callandra schließlich. »Und es ist Elissa, die tot ist.« Ihre Stimme war voller Einwände, aber ihre Miene verriet ihm, dass sie begriff, was er meinte. Die Parallele war nicht unerheblich.
»Wir müssen weiter nach einer anderen Lösung suchen«, meinte Monk, der immer noch Callandra anschaute und Pendreigh und Hester ignorierte. »Aber wir müssen die Tatsache, dass Kristian vor Gericht kommt, akzeptieren.«
Callandra schloss die Augen. Monk sah Tapferkeit und Niederlage in ihrer Miene kämpfen. Das Tageslicht war hart und kalt, und die klare, blasse Herbstsonne war nicht gewillt, die Zeichen des Alters in ihren Zügen zu verbergen. Im Kummer lag darin nichts Liebenswürdiges.
»Es tut mir Leid«, sagte er freundlich. Für einen Augenblick bedeutete ihm nicht einmal Pendreighs Verlust etwas. Monk kannte Callandra seit kurz nach seinem Unfall, und das waren inzwischen sechs Jahre, der
ganze Lebensabschnitt, an den er sich erinnern konnte. Sie war stets loyal, tapfer, humorvoll und liebenswürdig gewesen. Er hätte alles in seiner Macht Stehende getan, um sie vor einer solchen Situation zu bewahren, aber die einzige Möglichkeit, seine Zuneigung zu zeigen, bestand dann, die Zerreißprobe nicht dadurch noch härter zu machen, dass er sie durch Lügen verlängerte. »Wir müssen darüber nachdenken, wen wir bitten können, Kristians Verteidigung zu übernehmen, wenn der Prozess eröffnet wird. Im Augenblick ist das am dringendsten.« Während er sprach, wandte er sich Pendreigh zu. »Das ist auch der Hauptgrund, warum wir hier sind, Sir.«
»Ich übernehme das«, antwortete Pendreigh ohne Zögern. Offensichtlich hatte er während ihrer Unterredung darüber nachgedacht. Es war keine Frage, sondern eine Absichts- erklärung. »Ich verteidige ihn selbst. Ich glaube nicht, dass er schuldig ist, und diese Tatsache wird den Geschworenen einleuchten. Als Elissas Vater liefere ich ihm das beste Leumundszeugnis, das er sich wünschen kann.«
Callandras Gesicht zeigte Erleichterung, und zum ersten Mal liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie wandte sich an Pendreigh und wollte etwas sagen, ihm vielleicht danken, aber in dem Moment wurde ihr wohl klar, wie unpassend das war, und so schwieg sie.
Hester durchbrach das Schweigen, vielleicht um Pend- reighs Aufmerksamkeit von Callandras Gefühlsausbruch abzulenken. »Das wäre ausgezeichnet! Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um weitere Beweise zu finden, alles suchen, was Sie möchten, mit jedem reden.«
Pendreigh war nachdenklich. Jetzt, wo er eine Entscheidung gefällt hatte, veränderte sich seine Haltung. Er gewann seine Stärke zurück. »Danke.« Er blickte von einem zum anderen. »Ich werde alles tun, um die Beweise und jegliche Schlussfolgerungen, die daraus gezogen
werden können, in Zweifel zu ziehen, aber wir brauchen mehr als das. Jemand ist für den Tod der beiden Frauen verantwortlich. Wir müssen den Geschworenen mindestens eine andere Möglichkeit präsentieren.« Er sah Monk fragend an. »Ist es wahr, dass Zeugenaussagen ausschließen, dass Allardyce dort war?«
»Ja. Sie sind bereit zu schwören, dass er den ganzen Abend in einer Schänke auf der anderen Seite des Flusses war.«
»Und ich nehme an, Sie haben gründliche Ermittlungen über die Leute angestellt, denen die Spielhalle gehört?« Der Widerwille war seiner Stimme deutlich anzuhören, aber er drückte sich nicht vor der Frage.
»Ja. Abgesehen davon, dass sie so wenig wie möglich die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich ziehen und ihre Kundschaft nicht verscheuchen möchten, schuldete Mrs. Beck ihnen nichts. Sie sagten, ihre Schulden seien bis dato bezahlt. Die Leute mögen sie, weil sie ihnen viel Profit eingebracht hat. Es wäre völlig sinnlos gewesen, ihr etwas anzutun.«
Pendreighs Züge wurden hart. »Dann müssen wir weitersuchen. Wir können möglicherweise nicht beweisen, dass ein anderer schuldig ist.« Seine Stimme war angespannt, und er sah Monk nicht an. »Aber wir müssen eine absolut glaubwürdige Alternative entwickeln. Wir müssen so viel Zweifel schüren, dass sie Kristian nicht verurteilen können.«
Monk fragte sich, ob seine Worte dem Wunsch entsprangen, nicht nur Kristian zu schützen, sondern auch Elissas guten Ruf, was nahezu unmöglich war. Er empfand tiefes Mitleid mit dem Mann und tiefen
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