Gefaehrliches Schweigen
Jimmy, Stoffe, Elias und die anderen davonkommen könnten. Wenn Marko, Simon und Natalie wie bisher eisern weiterschwiegen, würde ich mit meinen Behauptungen ganz allein dastehen.
Die Polizei brauchte Beweise. Alles, was ich hatte, waren nichtssagende Fotos von Marko und Simon und von dem Armband, das Hannamaria Elias zurückgegeben hatte. Aber ich wusste ja nicht einmal sicher, ob es Frau Asp gehörte. Und selbst wenn, taugte das Foto höchstens als Beweis gegen mich selbst. Simons Mutter glaubte ja, dass ich es gestohlen hatte, und da wäre es ja kein Wunder, dass ich es auch fotografiert hatte.
Die Aufnahme meiner Unterhaltung mit Natalie war jedenfalls ein besserer Beweis, aber würde der genügen?
Allerdings hinderte mich nichts daran, noch mehr Beweise aufzutreiben. Einen Versuch war das wert.
Plötzlich kam ich wieder in Fahrt. Ich schaltete die Lautsprechanlage unseres Telefons ein und baute sowohl mein Handy als auch mein altes Tonbandgerät davor auf. Sicherheitshalber, falls etwas schiefgehen sollte. Dann drückte ich auf „Aufnahme“ und begann meine Telefonanrufe.
Marko legte sofort auf, als er hörte, wer es war.
Das war kein guter Start. Jimmy, Stoffe und die Bande hatten ihre Opfer wirklich sorgfältig ausgesucht.
Alle hatten viel zu große Angst.
Und alle waren allein.
Natalie legte wenigstens nicht auf. Ich behauptete, ich würde wegen unserer Gruppenarbeit anrufen, kam dann aber sofort zur Sache.
„Mein Vater wird morgen mit der Polizei und mit dem Rektor über Jimmy und Stoffe sprechen und darüber, wie sie dich zum Stehlen zwingen“, sagte ich. „Die werden bestimmt auch mit dir reden wollen.“
„Das werd ich nicht tun! Überleg mal, wie stinksauer die von der Bande dann werden!“
„Du bist nicht ihr einziges Opfer. Wenn alle zusammenhalten …“
„Ich mach’s nicht!“
„Aber Natalie, das hier muss doch irgendwann aufhören. Sind deine Eltern denn nicht besorgt? Du vermasselst dir die Schule und … ja, nimm mir das bitte nicht übel, aber du siehst echt krank aus!“
Klar nahm sie mir das übel.
Sie schnaubte.
„Haben deine Eltern denn noch nichts gesagt?“, fragte ich.
„Natürlich haben sie das! Aber die sehen und hören bloß das, was sie wollen. Und im Lügen hab ich inzwischen Übung.“
„Also ehrlich, wie hältst du das nur aus?“
Sie sagte nichts.
Ich begriff.
Das tat sie nicht, jedenfalls nicht mehr lange.
„Svea, ich verlass mich auf dich!“, sagte sie flehend. „Mach, was du willst, aber zieh mich nicht mit rein!“
Damit legte sie auf.
Natalie schien wirklich Todesangst zu haben, wenn sie nicht einmal darauf vertraute, dass die Polizei ihr aus der Patsche helfen könnte.
Wie viele steckten noch in diesem Schlamassel?
Bevor ich Simon anrief, übertrug ich das Foto, das ihn an der Bushaltestelle zeigte, auf den Computer. Während das Läuten ertönte, musterte ich das Foto zerstreut. Was machte er da? Bisher hatte ich geglaubt, er vergewissere sich, ob der junge Mann okay sei, aber als ich jetzt das Bild vergrößerte, sah es aus, als ob …
„Ja, hallo“, wurden meine Gedanken von einer matten Stimme unterbrochen.
Ich drückte auf Aufnahme.
„Hallo, Simon, hier ist Svea.“
„Was willst du?“
Das war zwar kein begeisterter Gruß, aber immerhin legte er nicht auf.
„Ich hab das Armband und die Ohrringe von Frau Asp gesehen.“
„Na logisch. Wo du sie doch geklaut hast.“
„Hör auf!“
„He, ich hab keine Lust, dein Gelaber über irgendwelchen bescheuerten Schmuck anzuhören. Was willst du überhaupt?“
„Dass wir gemeinsam versuchen, ihr den Schmuck zurückzubringen. Oder ihn deiner Mutter zu übergeben.“
„Und was sagst du ihr dann?“
„Die Wahrheit. Dass Jimmy und Stoffe dich gezwungen haben, Frau Asp zu bestehlen.“
Ich war mir sicher, dass er den Hörer aufknallen würde. Doch das tat er nicht. Also fuhr ich fort.
„Ich weiß alles. Über Jimmy und Stoffe. Jeder, der nicht macht, was sie wollen, wird von ihnen bedroht. Genau wie du. Und wer nicht gehorcht, wird bestraft. Von Mal zu Mal schlimmer. Dich haben sie schließlich verprügelt. Und außerdem dein Kaninchen verletzt …“
„Hör auf, Bulle zu spielen“, unterbrach er mich mit einem müden Seufzer.
Ich riskierte es.
„Warum hast du mir die Ohrringe in die Tasche gelegt?“
Er sagte nichts. Es blieb so lange still, dass es fast unerträglich wurde. Aber ich widerstand der Versuchung, die Frage zu wiederholen, und ließ ihn Stellung
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