Gefährliches Spiel der Versuchung
schlafen?«
Shannon wusste, dass er sie absichtlich provozierte, konnte aber trotzdem nicht verhindern, dass ihr die Röte in die Wangen stieg. »Die Kunst der Verführung gehört zu unserer Ausbildung.« Eine Klinge glitt in die verborgene Scheide an ihrem Stiefel. »Es gehört einfach zu meiner Arbeit.«
»Und selbstverständlich sind Sie nichts anderem als Ihrer Arbeit verpflichtet.«
Es lag ein seltsamer Spott in seiner Stimme, sodass sie ihn zweimal anschaute, bevor sie sich zum geöffneten Fenster wandte. »Genau wie Sie, Mr. Orlov.«
»Tatsächlich?« Marquis Lynsley saß in seinem Arbeitszimmer beim wöchentlichen militärischen Rapport und schaute überrascht auf. »Führen Sie sie sofort herein, Graves ...« Er erhob sich, als Mrs. Merlin am erschrockenen Sekretär vorbeimarschierte. Ihre seidenen Röcke standen in scharfem Kontrast zu der maskulinen Aura, die das Büro beherrschte. »Schon gut.«
»Ich wollte Sie nicht unterbrechen, Thomas«, begann sie, sobald die Tür geschlossen war, »aber ich habe gerade die Nachricht erhalten, dass D'Etienne in der Nähe der schottischen Grenze gesichtet worden ist.«
»Sind Sie sicher?«
Die Direktorin nickte. »Eine frühere Schülerin hat ihn zweifelsfrei identifiziert. Angesichts der Tatsache, dass Seville die Ermordung unseres Gesandten in Holland bezeugen kann, bin ich überzeugt, dass sie sich in dem Gesicht nicht irren kann.«
»Die Mission in Amsterdam.« Lynsley seufzte schwer und schwieg einen Moment. »Es ist ein teuflisches Dilemma ... ob wir eine Nachricht schicken sollen ...«
»Oder?«, drängte Mrs. Merlin.
»Oder Verstärkung. Wir dürfen uns keinen Fehler erlauben.« Er biss die Zähne zusammen. »Diesmal darf ich ihn nicht entwischen lassen.«
»Sie machen sich Sorgen um Shannon.« Es war eher eine Behauptung als eine Frage.
»Wir beide wissen, dass sie recht flatterhaft sein kann. Weil ihre Entscheidungen in der irischen Mission verdammungswürdig gewesen sind, ist mir nicht klar, wie ihre Leidenschaften diesen besonderen Auftrag beeinflussen werden.«
Die Direktorin zog ein paar Blätter Kanzleipapier aus ihrem Handtäschchen. »Angesichts dessen, was wir über diesen Orlov wissen, gibt es vielleicht Grund zur Sorge.« Sie zögerte. »Vertrauen Sie Yussapov?«
Der Marquis verzog das Gesicht. Trotz seiner adligen Züge und der eleganten Kleidung waren ihm die halsbrecherischen Missionen in der Unterwelt nicht fremd. »In dem schmutzigen Spiel, das wir spielen, traue ich niemandem außer Ihnen, Charlotte. In diesem Fall aber scheint es, als stimmten die Interessen des Prinzen mit unseren überein. Ich erwarte also kein doppeltes Spiel.«
»Aber die Möglichkeit dürfen Sie nicht aus den Augen verlieren«, widersprach sie weich.
»Sie haben nun ein wenig Zeit gehabt, über die Möglichkeiten nachzudenken«, hielt Lynsley dagegen. »Welche Vorschläge möchten Sie unterbreiten?«
»Wenn Sie Verstärkung zu senden wünschen, können wir Sofia schicken.«
»In welcher Verkleidung?« Lynsley stützte sich mit der Hüfte an den Tisch und trommelte mit den gepflegten Fingern auf das polierte Holz. »Die Gegend ist recht verlassen. Wer auch immer im Herrenhaus der McAllisters eintrifft, wird nicht unbemerkt bleiben. Wir haben schon eine Gouvernante im Haus platziert. Die Dienerschaft stammt aus der Gegend.«
Mrs. Merlin nickte. »Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen. Aber bedenkt man Sofias dunklen Teint und ihre Geschicklichkeit beim Tarot, könnte man sie als reisende Zigeunerin ausgeben. Marco könnte ihren Ehemann spielen. Die zwei wären eine schlagkräftige Waffe, mit der jeder zu rechnen hätte.« Sie hielt inne. »Vorausgesetzt, dass Shannon Schwierigkeiten hätte, den Auftrag aus eigener Kraft zu erledigen.«
Lynsleys Miene war unlesbar, als er sich umdrehte und zum Fenster ging. Nebelschwaden hingen schwer über den Türmen eines nahe liegenden Gebäudes, tauchten die Steine und Schieferschindeln in verschwommenes Grau. »Es gibt keine eindeutige Antwort.«
»Die gibt es niemals.«
Lynsley gestattete sich ein kleines Lächeln. »Ich glaube, dann sollten wir am besten auf Vorsicht setzen. Können die beiden beim Anbruch der Nacht auf die Reise gehen?«
»Während wir uns hier unterhalten, packen sie schon ihre Koffer.«
Dieses E-Book wurde von der "Osiandersche Buchhandlung GmbH" generiert. ©2012
18. Kapitel
D as Laub raschelte, und das Grün glänzte gegen den gedämpften Farbton des Heidekrauts.
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