Gefährliches Spiel der Versuchung
Herrscherin und große Liebhaberin verehrt.«
Shannon bewegte sich kaum merklich. Obwohl die Sonne bereits den Zenit überschritten hatte, fühlten ihre Gliedmaßen sich plötzlich heiß an. »Die amourösen Abenteuer solcher Königinnen scheinen doch immer ein wenig übertrieben.«
»Übertrieben? Ha!« Orlov lachte. »Haben Sie niemals die Geschichte gehört, die sich um ihren Tod rankt?«
Shannon schüttelte den Kopf.
»Ich möchte Ihnen die blutigen Einzelheiten gern ersparen, aber es geht um einen Hengst und um ein kompliziertes Gurtsystem, das plötzlich zusammengebrochen ist.«
»Sie machen Witze«, stieß Shannon aus, nachdem ihr Gelächter verklungen war.
»Noch nicht einmal ich konnte es glauben.«
»Danke für die Vorschläge. Es war recht unterhaltsam. Und überaus interessant.« Ihre Finger glitten auf dem ledernen Rücken des Buches entlang. »Sie sind ein ausgezeichneter Lehrer. Und Sie bringen mich dazu, mehr lernen zu wollen. Über ... über viele Dinge.«
»Man lernt nie aus.«
Neugierig entschloss sie sich zu einer Frage. »Dann war es also nicht gelogen, als Sie Lady Octavia berichteten, dass Sie in Oxford studiert haben?«
»Es entsprach alles der Wahrheit. Meine Familie hat tatsächlich ein paar ernste finanzielle Rückschläge einstecken müssen. Sehen Sie, mein Vater war ein unverbesserlicher Spieler, dessen Hellsichtigkeit und Glück langsam zur Neige gingen.«
»Verstehe. Und was ist mit den Akrobaten?«
»Entspricht auch alles der Wahrheit. Nur als es um meine Vernarrtheit in die junge Lady ging, habe ich die Tatsachen ein wenig strapaziert. Es lag nicht an gebrochenem Herzen, dass ich den Zirkus verlassen habe, sondern an einem lädierten Nacken. Ich hatte nicht vor, den Kerl umzubringen, sondern habe ihn nur daran gehindert, seine ehelichen Rechte gegenüber der Braut mit einem Ochsenziemer durchzusetzen.«
»Die Frau selbst hätte ihm den Hals umdrehen sollen.«
»Nicht jedes weibliche Wesen verfügt über Ihren unverbrüchlichen Mut und Ihre Stärke.«
Ein Kompliment aus Orlovs Mund - noch dazu eines, das ernst gemeint klang? Beinahe wäre sie von ihrer Sitzgelegenheit gefallen.
»Wie auch immer, die junge Witwe war überaus dankbar, aber ich musste leider feststellen, dass meine Leidenschaft für Fußfesseln sich merklich abgekühlt hatte. Also habe ich mich verabschiedet, habe die Grenze zwischen Preußen und Russland überschritten.« Er zuckte die Schultern. »Von dort aus verliefen meine Reisen so, wie ich es der Witwe berichtet habe. Die letzten Jahre habe ich in Österreich und Polen verbracht, aber in jüngster Zeit ... nun, über meine jüngsten Aufträge wissen Sie Bescheid.«
»Ja.«
»Wie steht es mit Ihrer Vergangenheit?«
Shannon versteifte die Schultern. »Es gibt nicht viel zu erzählen.«
»Sie sind in London aufgewachsen?«
Shannon schwieg.
Zweifellos würde er ihr Schweigen nur als Herausforderung zum gewohnten Wettstreit betrachten. Mit zusammengebissenen Zähnen wappnete sie sich gegen seinen ätzenden Witz.
Aber statt sie zu attackieren, streckte Orlov die Hand aus und berührte ihre verspannte Nackenmuskulatur. »Ein empfindliches Thema, nehme ich an.« Sanft begann er, sie mit den Fingerspitzen zu massieren. »Bitte verzeihen Sie.«
Es lag keine Intimität in der Vertraulichkeit. Vielmehr war es eine Geste der ... der Freundschaft? Shannon bemerkte, dass sie unter der sanft kreisenden Bewegung zu entspannen begann.
»Ich bin im Armenviertel von St. Giles aufgewachsen.« Die Worte waren ihr mit einem leisen Seufzer über die Lippen gerutscht. »Während Sie durch Europa und Asien gereist sind, bestand meine Welt aus ein paar verschmutzten Gassen. Die Geschichte jener Tage ist nicht halb so unterhaltsam wie Ihre.« Sie zuckte die Schultern. »Aber ich hatte Glück! Lord Lynsley hat mich aus einer Legion Waisenkinder herausgepickt und mir in der Academy ein Zuhause gegeben. Meine Mitschülerinnen waren mir Freundinnen und Familie zugleich. Viel mehr gibt es nicht zu erzählen.«
»Ich würde gern mehr über Ihre Zimmergenossinnen erfahren«, bat Orlov.
»Siena sind Sie schon begegnet. Vielleicht ist sie diejenige unter uns dreien, die ... am meisten nach innen gekehrt ist.« Shannon verdrehte die Augen. »So heißt es jedenfalls in den Akten, die ich in den privaten Ordnern der Direktorin eingesehen habe. Sofia ist diejenige unter uns, die am meisten einer echten Lady gleicht. Mit Abstand. Denn sie hat eine beeindruckende natürliche
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