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Gefährliches Spiel der Versuchung

Gefährliches Spiel der Versuchung

Titel: Gefährliches Spiel der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Pickens
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sicher: dass sie anschließend getrennte Wege gehen würden.
    Vor nicht allzu langer Zeit hätte Shannon erleichtert geseufzt. Aber jetzt, sie als den Wind in den Haaren auf seinem geöffneten Hemdkragen tanzen sah, blieben ihr die Worte im Halse stecken.
    »Kampfgenossen«, wiederholte er und streckte ihr über den rauen Fels hinweg die Hand entgegen.
    »Machen Sie sich um mich keine Sorgen.« Shannon hatte nicht absichtlich so hart geklungen. »Ich bin es gewohnt, allein zurechtzukommen.«
 
    Der Nachmittag verstrich bei wunderbar klarem und warmem Wetter, sodass Shannon vorschlug, den Unterricht abzukürzen und einen Ausflug in die umliegende Hügellandschaft zu machen. Orlov stimmte bereitwillig zu. Als sie das Picknick für die Teezeit packten, bemerkte sie, dass Orlov ein Fernglas aus Messing in den Korb legte. Ihr war klar, dass er seine scharfen Waffen am Körper trug. Genau wie sie. Falls die Feinde zur Attacke übergingen, waren sie bereit zum Kampf.
    »Lassen Sie uns auf den Beinn Moran steigen», schlug er vor. »Bisher habe ich noch keinen Blick auf die andere Seite des Tals werfen können.«
    »Sie haben die Wahl, Sir.« Shannon packte Skizzenbuch und Stifte ein. Es mochte hilfreich sein, eine weitere detaillierte Karte der Umgebung anzufertigen. Außerdem hatte sie sich mehrere Fluchtwege durch die raue Heidelandschaft eingeprägt.
    Kaum hatten sie den See passiert und begonnen, den steilen Hügel zu erklimmen, rannten die Kinder los, um die Schafe zu jagen. Emma musste sich anstrengen, um mit ihrem Bruder mithalten zu können; ihre Füße verfingen sich in ihren Röcken, als sie über eine steinerne Mauer kletterten und sich in das Gras fallen ließen. Orlov gelang es nicht, eine unbeteiligte Miene zu ziehen, obwohl irgendetwas in seinem Bariton-Lachen auf ein tieferes Gefühl hinwies.
    »Vollkommen furchtlos, nicht wahr?«
    Shannon spürte, wie sich auf ihren Lippen ein geisterhaftes Lächeln formte. Denn der Anblick weckte die Erinnerung an ein längst versunkenes Waisenkind, das ebenfalls vor keiner Herausforderung zurückschreckte.
    Es schien, als könne Orlov ihre Gedanken lesen. »Das Kind erinnert mich an Sie, sieht man davon ab, dass es so zart ist. In Emma steckt der Kampfgeist einer Löwin, obwohl ich überzeugt bin, dass sie sich körperlich niemals so kraftvoll entwickeln wird.«
    Shannon spürte, wie ihre Brust sich schmerzhaft zusammenzog. »Mag sein, dass sie in ein paar Jahren wie Unkraut in die Höhe schießt. In ihrem Alter war ich auch noch sehr schmal.«
    Orlov warf ihr einen skeptischen Blick zu, gestattete sich, sie ein paar Sekunden zu lange anzuschauen. »Schwer zu glauben.«
    »Aber wahr.« Shannon schloss die Augen. Die Dunkelheit brachte keine Erleichterung, sondern nur eine Flut lang verdrängter Erinnerungen. Ohne dass sie begriff, was sie eigentlich sagte, flossen ihr die Worte wie in einem rauen Wispern über die Lippen. »Zerbrechlich wäre vielleicht die bessere Beschreibung. Zerbrechlich wie eine Puppe aus Porzellan. Die betrunkenen Zuhälter in den Gassen haben mich jedenfalls so genannt. Meinten, dass ich ein ordentliches Vermögen verdienen könnte, wenn ich mich unter ihren Schutz begäbe.«
    Seltsam, wie die Erinnerung an vergangene Zeiten ihr trotz der gestählten Muskeln und der todbringenden Kampfkünste immer noch einen eiskalten Angstschauder über den Rücken jagte. »In frühesten Jahren schon habe ich begreifen müssen, dass ich nur dann eine Überlebenschance habe, wenn ich kämpfe wie der Teufel. Auch im Angesicht überwältigender Hindernisse.«
    Shannon schlug die Augen auf und bemerkte, dass er sie eindringlich musterte. »Sind Sie ...?«
    »... vergewaltigt worden?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber wenn man allein im Armenviertel aufwächst, bleibt man nicht lange unschuldig. Es gibt andere unzüchtige Dinge, die ein sehr großer Kerl einem kleinen Kind aufzwingen kann.«
    »Es tut mir leid«, erwiderte Orlov schlicht. An seinen angespannten Wangenmuskeln, an den zusammengepressten Lippen konnte sie Mitgefühl erkennen. Ein Verständnis, dass aus Erfahrungen erster Hand gewonnen war. Aus der Erfahrung, dass das Leben oft nicht gerecht war.
    Wieder eine Erfahrung, die sie verband.
    »Das muss es nicht. Der Kerl wird niemals wieder die Gelegenheit haben, anderen jungen Mädchen solch entsetzliche Dinge zuzufügen.« Jetzt erst stellte sie fest, dass sie stehen geblieben war, drehte sich rasch um und stürmte voran, entschlossen, ihre

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