Gefährliches Talent: Kriminalroman
Fliege und der altmodische dunkle Anzug waren offensichtlich nicht nur für gesellschaftliche Anlässe wie Vernissagen reserviert, sondern sie waren auch seine Arbeitskleidung. Ein unerwartetes humoristisches Detail seiner Fliege waren kleine Bilder vom Kojoten, der den Roadrunner jagte. Moody selbst war aber nicht zu Scherzen aufgelegt. Er grüßte sie mit einem flüchtigen Nicken. (Konnte er sich an ihre Begegnung am Vortag erinnern? Unmöglich zu sagen.) Dann führte er sie zu der verschlossenen Tür und gab auf dem Tastenfeld die Kombination ein, jedoch nicht ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass sie nicht heimlich die Zahlen mitlas. Ihm zu Gefallen wandte sie sich ab und betrachtete scheinbar ganz fasziniert die Bücherregale hinter ihnen.
An einem Ende des Raums stand ein Schreibtisch mit Stuhl, beides aus Metall; außerdem gab es einen Lesetisch, auf dem ein Notizblock und ein paar stumpfe Bleistifte lagen, und an einer Wand sechs Stahlbücherschränke auf Rollen. Moody bedeutete ihr, sich an den Tisch zu setzen, ging zum Schreibtisch und holte einen Stehsammler mit Katalogen. »Ich habe die für Sie rausgesucht, damit Sie nicht selbst sämtliche Ordner durchforsten müssen.«
»Danke«, sagte Alix, aber sie war sicher, er hatte es nur getan, weil er den Gedanken nicht ertrug, ein Eindringling wie sie könnte nach Herzenslust in seinen Regalen herumstöbern und wer weiß was für Untaten begehen; auf dem Archivmaterial herumkritzeln vielleicht.
»Ich habe außerdem eine alte Freundin angerufen, eine Kunsthändlerin aus Albuquerque, um so viel wie möglich über diese Galerie herauszufinden. Sie bestand von zweiundsechzig oder dreiundsechzigbis circa fünfundsiebzig und soll einen guten Ruf gehabt haben. Der Besitzer hieß Henry Merriam, anscheinend eine Autorität, was Grafikkünstler aus dem Südwesten angeht. Hoffentlich hilft Ihnen das weiter.«
Es waren wirklich nützliche Informationen. »Danke«, sagte sie wieder, diesmal etwas überzeugender. Da sie nun etwas unbeholfen dastand, fügte sie hinzu: »Also ich werde dann mal …«
»Ja, ich muss auch weiterarbeiten«, sagte er, setzte sich an seinen Schreibtisch und fing an, Papiere zu ordnen.
Er war von anderswo hergerufen worden, deshalb nahm sie an, er blieb nur im Raum, um sie im Auge zu behalten. Von seinem Schreibtisch aus konnte er seine Besucher unauffällig beobachten, für den Fall, dass sie plötzlich eine blitzende Schere hervorholten oder versuchten, sich irgendetwas ins Hemd zu stopfen. Aber was rümpfte sie die Nase über jemanden, der nur seine Pflicht tat? Sie versuchte, seine Seitenblicke zu ignorieren, und fing an, die Kataloge in der Hoffnung zu durchsuchen, dass irgendwo das Bild
Felsen auf der Ghost Ranch
erwähnt wurde. Es waren insgesamt sechs Hefte, nicht so sehr Kataloge, sondern eher teure, farbige Hochglanzbroschüren,
Was geht vor in Xanadu?
, die neben Informationen über Ausstellungen, Verkäufe und Vernissagen auch hie und da Beiträge von Merriam enthielten:
Gedanken (und Abschweifungen) eines Dilettanten
.
Sie hatte die ersten zwei Kataloge erfolglos durchgeblättert, als das Telefon auf Moodys Schreibtisch piepte, und einen Moment später rief er sie: »Es ist für Sie.« Er deutete auf einen Apparat am anderen Ende ihres Tisches. »Sie können da telefonieren.« Sowohl sein Tonfall als auch seine Handbewegung schienen auszudrücken, dass das Empfangen von Telefonaten gegen die Regeln des Archivs verstoße und es nicht wieder vorkommen dürfe. Sie bedankte sich und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Hi Alix«, sagte Chris, als sie das Telefon ans Ohr hielt. »Ich möchte gern umdisponieren und dachte, ich frage Sie lieber, bevor ich die Zimmer buche. Macht es Ihnen was aus, wenn wir die Sache umdrehen? Zuerst Ghost Ranch und dann Taos? Auf derGhost Ranch fangen morgen die neuen Kurse an und dann ist alles belegt, aber für heute Nacht gibt’s noch Zimmer. Wir könnten dann morgen nach Taos weiterfahren. Wäre das in Ordnung?«
»Klar, kein Problem.«
»Hervorragend. Außerdem habe ich eine Überraschung für Sie. Ich habe mich über Hotels in Taos informiert und im Internet eine interessante Information gefunden. Sie waren sich doch nicht sicher, ob das Haus von Mabel Dodge Luhan noch steht. Nun, es ist noch da und die jetzigen Besitzer betreiben dort ein Retreat-Center und Bed and Breakfast.«
»Großartig!«, rief Alix. »Einfach wunderbar!«
»Allerdings findet ab morgen im Ort eine
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