Gefährliches Verlangen
Vielleicht war er ihm einfach nur zu ordinär, zu einfach gestrickt, auf jeden Fall aber zu bullig. Die Muskeln, die seinen ganzen Oberkörper durchzogen, schienen ihm mehr als übertrieben zu sein. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn er Anabolika schon zum Frühstück verspeiste. Zumindest erinnerte ihn Jakes ganze Statur sehr stark an eine Comicfigur. Eine wie Popeye oder so ähnlich, nur dass sich Jake sicherlich nicht von Spinat ernährte. Nicht, dass ihn Jake dadurch abschreckte, nein, Rafael hatte vor niemandem Angst, es war nur so ein Bauchgefühl, das ihm riet, sich vor ihm in Acht zu nehmen. Er fand ihn – wie gesagt – einfach nur falsch, ohne es wirklich begründen zu können. Und bei Rose, ja, da hatte er sich ja anfänglich auch getäuscht. Wo sie wohl jetzt steckte? Das war ihm ein Rätsel. Aber Rafael war niemand, der einfach aufgab. Daher war er sich ziemlich sicher, dass er sie auch irgendwann finden würde. Früher oder später ganz sicher. Er nickte Jake wortlos zu. Simon war seltsamerweise von seinen Fähigkeiten überzeugt, daher versuchte Rafael, sich so gut wie möglich mit ihm zu arrangieren. Nachdem Rafaels Kehle durch den Qualm der Zigaretten staubtrocken war, drängte es ihn förmlich dazu, seinen gewaltigen Durst mit einem kühlen Getränk aus dem Kühlschrank zu löschen. Also schlug er ahnungslos den Weg zum Korridor ein, der zur Küche führte.
Jake Blood, der ganz genau mitbekommen hatte, wohin Rafael da gerade lief, putzte gemächlich an seiner Waffe weiter, ohne dabei aufzusehen. Er ließ Rafael bewusst in sein Verderben rennen. Jake war völlig klar, was Simon Crow damit meinte, wenn er sagte, er müsse seine Frau alleine sprechen.
Das hieß so viel wie ich-will-sie-ficken-und-dabei-nicht-gestört-werden-also-pass-auf!
Jake hatte schon lange die Vermutung, dass Rafael Blunt auf die Frau seines Freundes ein Auge geworfen hatte. Und das hier sollte nun der ultimative Beweis dafür sein. Denn wenn es stimmte, was er vermutete, dann würde Mister Blunt spätestens in dreißig Sekunden hier wieder auftauchen. Und an Mister Blunts Gesichtsausdruck wollte Jake dann feststellen, ob er sich geirrt oder recht behalten hatte. Nach circa fünfzehn Sekunden begann Jake in Gedanken die Sekunden herunterzuzählen. Als er bei acht angekommen war, hörte er Rafael im Gang fluchen. Bei sechs sah er ihn aus dem Gang herausstürmen und die Treppen hinaufeilen. Doch seinen verstörten Blick hatte er gerade noch rechtzeitig genug aufgefangen, bevor er verschwand. Jetzt war sich Jake nunmehr ganz sicher: Rafael Blunt war in Katelyn Crow verknallt. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, musste es ihn ganz schön hart getroffen haben, Simon und Katelyn in Aktion gesehen zu haben. Jake war äußerst zufrieden. Endlich hatte er seinen Beweis. Er legte die Waffe auf den Tisch, lehnte sich in den Stuhl zurück und trällerte einen Song, der ihm schon den ganzen Tag lang durch den Kopf gegangen war. Ja, so leicht war es, Mister Blunt zu überführen. Dass ihm diese brillante Idee nicht schon früher gekommen war, schalt er sich. Jetzt musste er nur noch einen Weg finden, es Simon Crow unterzujubeln, ohne dass er sich dabei ins Fettnäpfchen setzte. Nun gut, irgendetwas Vernünftiges würde ihm schon noch einfallen. Er richtete sich wieder auf, nahm die Waffe in die Hand, und setzte höchst zufrieden die Reinigung fort. Der Anschiss, den ihm Simon Crow nun verpassen würde, war es allemal wert.
***
Rafael brachte die ganze Nacht lang kein Auge zu. Er hatte immer wieder dieses Bild vor Augen, das sich ihm in der Küche geboten hatte. Er hegte einen solchen Zorn gegen Simon, was ihn noch mehr belastete als der Liebeskummer selbst. Allein die wirren Gedanken, Simon Leid zuzufügen oder ihn gar zu töten, trieben ihn an den Rand der Verzweiflung. Diese grauenhafte Vorstellung jagte ihn die halbe Nacht lang in seinen Wachträumen wie ein wildes Raubtier. Nein, so weit würde ihn die Liebe nicht bringen. Dies durfte er nicht zulassen! Verdammt! Er verfluchte seine unberechenbare Eifersucht und den Drang, sich mit Gewalt zu nehmen, was Simon ihm freiwillig niemals geben würde. Und er verabscheute das Wort Liebe, schwor allen Gefühlen ab, verdammte seinen Liebeskummer, der ihn dennoch immer wieder einholte, so dass er sich nunmehr im Kreis drehte. Als die Morgendämmerung die ersten Lichtstrahlen in sein Zimmer flutete, hatte er eine Entscheidung getroffen. Simon war vor ihm nicht mehr sicher. Wenn er
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