Gefaehrliches Verlangen
hier.« Als ich eine Tasse ins Licht halte, erkenne ich die Umrisse meiner Finger. »Das ist Bone China.«
Marc tritt neben mich. »Sie sind wohl Porzellanexpertin, Miss Rose.«
Ich lächle ihn an. »Eigentlich nicht, aber meine Großmutter hatte ein Service aus Knochenporzellan und hat mir beigebracht, es von gewöhnlichem Porzellan zu unterscheiden.«
»In dir schlummern verborgene Talente.«
»Das sagt ja der Richtige.«
Marc gibt dem Verkäufer ein Zeichen, der das Service zum Einpacken bringen lässt.
»Das war der einfache Teil, aber jetzt zu Genoveva.«
Ich entdecke einen Stand mit hübschen Chiffonschals. »Sie mag Schals sehr gern und trägt ständig welche.« Ich ziehe ein mit weißen Tauben bedrucktes Exemplar heraus. »Tauben sind doch das Symbol für den Frieden, stimmt’s? Den können wir nur allzu gut gebrauchen.«
Marc gibt dem Verkäufer abermals ein Zeichen, woraufhin auch der Schal zum Einpacken gebracht wird.
»Sonst noch jemand?«, fragt Marc. »Geschwister oder Cousinen, die seit Ewigkeiten verschollen waren?«
»Nein, seit meine Großeltern nicht mehr leben, ist die Familie ziemlich überschaubar. Nur du, Dad und Sammy und ich. Und Jen kommt am Nachmittag vorbei. Es wird ziemlich merkwürdig werden ohne Genoveva, zumindest für Dad. Vor allem mit uns Turteltauben.«
»Würdest du uns so bezeichnen?«
»Wie würdest du es beschreiben?«
Marc wendet sich mir zu. Als er mich mit seinen blauen Augen ansieht, fühlt es sich an, als wären wir ganz allein auf der Welt. »Ich würde sagen, wir sind wahnsinnig ineinander verliebt«, sagt er mit leiser Stimme, bei deren Klang sich mein Magen zusammenzieht.
Einen Moment lang verliere ich mich in seinen Augen, seinen Worten. Marc besitzt die Gabe, Gefühle in mir auszulösen, wie ich sie noch nie erlebt habe. Es gibt Zeiten, da ist es, als wären wir eins.
Er nimmt meine Hand. Wir stehen da, mitten in dem Laden, und sehen einander in die Augen. Er hatte recht: Allmählich gewöhne ich mich daran, Publikum zu haben.
»Komm.« Marc führt mich zu einem Schalter, wo unsere Tüten bereits vorbereitet sind. »Ich habe noch etwas vor.«
Beim Verlassen des Kaufhauses denke ich an Dad, der sich mit einem verliebten Pärchen als einziger Gesellschaft bestimmt sehr einsam fühlen wird. Dies ist das erste Mal, dass ich einen Mann mit nach Hause bringe. Typisch, dass es ausgerechnet das Weihnachtsfest sein muss, an dem seine eigene Beziehung in die Brüche gegangen ist.
»Peter meinte doch vorhin, dass Denise allein lebt, richtig? Hätte sie wohl Lust, zu uns zu kommen, was meinst du? Mit jemandem in seinem Alter würde Dad sich nicht wie das fünfte Rad am Wagen vorkommen. Außerdem macht es Spaß, zu Weihnachten das Haus voller Leute zu haben.«
Marc runzelt die Stirn. »Normalerweise fährt sie über die Feiertage weg, aber ich kann sie ja fragen.«
»Würdest du das tun? Und was ist mit deiner Schwester? Wie verbringt sie Weihnachten? Möchte sie vielleicht auch kommen? Ich würde sie gern wiedersehen.«
»Sie ist immer noch in der Klinik.«
»Oh.« Ich blicke auf den vereisten Bürgersteig. »Es freut mich, dass es ihr langsam besser geht, trotzdem ist es schade, dass ich sie nicht sehen werde. Ich hätte so gern jemanden aus deiner Familie dabei.«
»Sie macht rasch Fortschritte. Und bald darf sie auch Besuch empfangen.«
»Toll.« Ich blicke mich um. »Und wohin führst du mich?«
»Das wirst du gleich sehen.«
❧ 27
A m frühen Abend trinken wir Champagnercocktails auf der Park Lane und essen in einem kleinen Restaurant in Covent Garden Spaghetti.
Als Marc mich am Theater absetzt, will ich ihn nicht gehen lassen, auch nicht, wenn die Bühne auf mich wartet, aber ich muss. Doch immerhin weiß ich, dass ich morgen den ganzen Tag mit ihm verbringen werde.
Wahnsinn.
Die Vorstellung läuft sehr gut, auch wenn sie sich endlos zu ziehen scheint, und als endlich der letzte Vorhang gefallen ist, erwarte ich halb, Marc seitlich an der Bühne stehen zu sehen. Doch er ist nicht da.
Wollte er mich nicht nach der Vorstellung abholen und mit mir zum Haus meines Vaters fahren? Oder habe ich etwas falsch verstanden?
Ich gehe in meine Garderobe und checke mein Handy, doch es ist keine Nachricht eingegangen. Ich bin so enttäuscht, dass ich beinahe das Klopfen an der Tür überhöre.
»Ist da drin zufällig eine kleine Hauptdarstellerin?«, ruft Leo.
»Komme schon«, erwidere ich abwesend, ziehe Jeans und meinen Pulli über und reiße die
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