Gefaehrliches Verlangen
dich.«
»Sei nicht albern. Dass du hier bist, ist schon großartig. Du brauchst nicht auch noch etwas mitzubringen. Ich bin so froh, dass ich inzwischen Besuch bekommen darf.«
»Du siehst gut aus. Wie schade, dass du heute einen schlechten Tag erwischt hast.«
Nickend stellt Annabel den Korb auf einem Tischchen ab. »Wollen wir einen kleinen Spaziergang machen?«
Der Geruch nach feuchter Erde und der Anblick der kahlen Zweige sind herrlich. Manchmal fürchte ich, unter all dem Beton im Theater zu ersticken.
Eine Zeit lang gehen wir schweigend die Wege entlang.
»Heute Morgen musste ich feststellen, dass es bei Weitem nicht so einfach wird, meinen Sohn zurückzubekommen, wie ich dachte«, sagt Annabel schließlich. »Unmengen an Papierkram. Und ich muss Dinge beweisen, die ich beim besten Willen nicht beweisen kann. Dass ich ihm ein stabiles Zuhause bieten kann; dass ich Freunde habe, die mich unterstützen, und über ein festes Einkommen verfüge. Ich … im Moment kommt es mir vor, als würde ich es nie schaffen.«
Ihre Züge verdüstern sich, und erst jetzt, im hellen Tageslicht, fällt mir auf, dass sie älter und erschöpfter aussieht als sonst. Ich hake mich bei ihr unter.
»Ich kann dir doch helfen. Früher, als ich noch klein war, mussten wir auch massenhaft Formulare ausfüllen. Ein paar Nachbarn fanden, Dad sei nicht fähig, mich allein großzuziehen. Deshalb kam ständig jemand ins Haus, um nachzusehen.«
»Es erstaunt mich, dass ihr auch Ärger mit den Behörden hattet.«
»Wir sind zwar eng miteinander verbunden, aber trotzdem hatten auch wir schwere Zeiten. Und eigentlich konnte niemand etwas dafür. Dad hatte gerade seine Frau zu Grabe getragen und trauerte um sie. Aber genug von mir. Marc und ich werden dir helfen, deinen Sohn zurückzubekommen.«
»Aber Marc hat schon so viel für mich getan. Und du auch. Es geht doch darum, dass ich lernen muss, auf eigenen Füßen zu stehen. Ich muss endlich aufhören, immer nur andere Leute alles für mich machen zu lassen, und endlich mein Leben selbst in die Hand nehmen.«
»Annabel, du kämpfst gerade gegen eine schwere Drogensucht an. Genau jetzt ist der Zeitpunkt, an dem du Hilfe von anderen annehmen solltest. Erhol dich, werde gesund, und dann kannst du anfangen, dich zu revanchieren.«
»Ich weiß nicht, Sophia. Im Moment habe ich das Gefühl, es ist alles hoffnungslos. Ich verdiene Daniel doch gar nicht. Er braucht eine viel bessere Mum als mich.«
Ich schüttle den Kopf. »Annabel, kein Junge sollte bei einer Pflegefamilie aufwachsen müssen. Du bist ein guter Mensch, der einfach harte Zeiten hinter sich hat, das ist alles.« Ich ziehe meinen Arm weg und lege ihr beide Hände fest auf die Schultern. »Wenn du es schaffst, die Heroinsucht zu besiegen, schaffst du alles, auch, eine gute Mutter zu sein. Und Marc und ich helfen dir dabei.«
❧ 53
I ch besuche Annabel noch einige weitere Male in dieser Woche. Es gibt gute und schlechte Tage. Als sie mir die Formulare zeigt, ist mir sofort klar, dass ich unbedingt mit Marc reden muss. Annabel braucht eine eigene Wohnung, wenn sie ihren Sohn zurückbekommen will, deshalb muss er ihr helfen.
Den Freitag verbringe ich weitgehend mit der Internetrecherche über die Gesetze und Bestimmungen zum Thema Sorgerecht, um Marc möglichst genau zu erklären, was Annabel braucht. Es ist wichtig, dass ich ihm alles bis ins letzte Detail darlegen kann. Wenn Annabel eine echte Chance haben will, das Sorgerecht für Daniel zurückzuerlangen, muss alles hieb- und stichfest sein.
Gegen Abend habe ich eine lange Liste zusammengestellt und bin einigermaßen zuversichtlich, dass wir es hinkriegen werden.
Rodney bereitet eine köstliche Lasagne zu, und nach dem Essen nehme ich ein schönes heißes Bad, während Sammy bereits schläft. Jen ist in ihre Wohnung zurückgefahren, Dad bei der Arbeit, sodass es, mit Ausnahme von Rodneys Geklapper in der Küche, herrlich still im Haus ist.
Gerade als ich aus der Wanne steige und mich abtrockne, läutet es an der Tür.
»Ich gehe schon«, ruft Rodney.
Augenblicke später höre ich Leos laute Stimme durchs Haus dringen.
»Komme schon«, rufe ich und laufe, lediglich in das Badetuch eingehüllt, ins Gästezimmer.
Typisch Leo – er steht unten an der Treppe und sieht zu mir herauf.
»Hübsches Outfit«, ruft er. »Ich dachte, du freust dich über Gesellschaft auf dem Weg zur Vorstellung.«
»Ich bin gleich unten.«
Ich schlüpfe in Leggins, Uggs und einen weiten
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