Gefaehrliches Verlangen
trotzdem würde ich nicht sagen, dass ich dich verführt habe.«
»Möglicherweise ist verführen auch nicht das richtige Wort dafür. Du hast mich eher verhext.«
Ich schnappe ein Kissen und schleudere es in seine Richtung.
Marc lacht. »Kein übler Wurf. Aber wie soll ich es sonst bezeichnen? Jedenfalls bin ich deinem Zauber verfallen.«
»Meinem Zauber?« Nun bin ich diejenige, die lacht. »Pass bloß auf, dass ich nicht von dem Podest falle, auf das du mich da gestellt hast. Es ist verdammt hoch.«
»Nicht hoch genug.« Er hält inne, und ich spüre trotz der Augenbinde, dass er mich ansieht.
»Ich wünschte, du könntest mich küssen«, platze ich heraus.
»Ich auch. Aber ich muss jetzt gehen, bevor es zu hart wird.«
»Keine sonderlich glückliche Wortwahl«, bemerke ich.
Ich höre das Knarren der Zimmertür.
»Ich gehe jetzt, bevor ich dir den Morgenrock herunterreiße, dich fessle und durchvögle, bis dir Hören und Sehen vergeht.«
Ich schlucke. »Wieso musstest du das unbedingt sagen?«
»Wieso musst du so unwiderstehlich sein?«
In diesem Moment dringt ein seltsames Geräusch an meine Ohren. Es scheint von draußen zu kommen. Ich fahre herum. »Was war das?«
Bevor Marc etwas erwidern kann, ertönt ein hohes, katzengleiches Kreischen, das von den alten Gemäuern des Campus widerhallt.
»Bleib, wo du bist«, befiehlt Marc.
Ich spüre einen Luftzug, als er an mir vorbeitritt.
»Marc? Was war das?« Es klang nach einem Tier, aber das mulmige Gefühl in meinem Magen sagt mir, dass es sich um etwas anderes handelt … um etwas Menschliches.
Etwas prallt mit einem dumpfen Klatschen gegen die Fensterscheibe. Instinktiv hebe ich die Hände, um die Binde wegzureißen.
»Nicht«, herrscht Marc mich an. »Bleib, wo du bist. Rühr dich nicht von der Stelle.«
»Was ist hier los, Marc?«, flüstere ich.
Ich höre ihn die Vorhänge mit einem Ruck zuziehen. »Solange du hier drinnen bist, kann dir nichts passieren. Ich muss jetzt nach unten und mich um etwas kümmern.«
Ich höre, wie er das Zimmer durchquert. Sekunden später fällt die Tür hinter ihm ins Schloss.
Heftig atmend reiße ich mir die Augenbinde weg. Marcs wundervoller Geruch hängt noch im Raum, doch ich spüre, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich muss wissen, was es ist.
Eigentlich bin ich nicht sonderlich neugierig, doch beim Anblick der zugezogenen Vorhänge kann ich mich nicht länger beherrschen.
Ich trete ans Fenster und ziehe sie zur Seite.
Und spüre, wie mich eine eisige Kälte durchströmt.
❧ 57
L euchtend rote Striemen verlaufen über die Fensterscheibe.
O Gott. Obwohl ich lieber wegsehen möchte, ertappe ich mich dabei, wie ich sie in Augenschein nehme.
Blut. Ziemlich sicher. In der Mitte prangt ein großer Fleck, von dem aus drei lange, dicke Schlieren an der Scheibe entlangsickern und sich am unteren Rand sammeln … ganz klar. Blut.
Mein Blick schweift über den Balkon und bleibt an etwas hängen, das mich entsetzt zurückweichen lässt. Etwas Rotes, Fleischiges liegt mitten auf dem Boden.
Ich presse mir die Hand auf die Brust, als die Laute abermals ertönen, dieses merkwürdige Kreischen, das die nächtliche Stille zerfetzt.
Erst jetzt mache ich die Worte aus.
»Du bist tot, Sophia Rose. TOT . TOT .«
Das ist Cecile.
Vielleicht nicht die Cecile, die ich vom College kenne, sondern eine Frau, die außer sich vor Wut und Hass ist. Und die kreischt, als hätte sie den Verstand verloren.
Mein Herz hämmert. Wie ist sie auf den Campus gelangt?
Ich höre die Haustür unten zuschlagen, dann hallen Marcs zackige Schritte durch die Nacht.
Das Kreischen verstummt, schlägt in Weinen um. Ich glaube, Marcs Stimme zu hören, schließlich ertönen weitere Stimmen – vermutlich die Wachleute. Und dann herrscht Stille.
Allmählich gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit, sodass ich die Umrisse des blutigen Gegenstands auf meinem Balkon ausmachen kann.
Und plötzlich weiß ich, was das ist.
Blutige Klumpen wie diese kenne ich aus der Auslage beim Metzger. Es ist ein Schweineherz. Cecile muss es ans Fenster geworfen haben. Aber wie um alles in der Welt hat sie es angestellt, dass es so hoch flog?
Ein Schauder überläuft mich, der in ein heftiges Zittern umschlägt, das auch nicht nachlassen will, als ich die Bettdecke fest um mich schlinge.
Cecile hat endgültig den Verstand verloren und stellt eine Gefahr für ihre Umwelt dar.
Gott sei Dank, dass Marc hier war.
Mein Handy klingelt.
Marcs Nummer
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