Gefaehrliches Verlangen
presse mir die Hand auf den Mund. » O Gott«, stöhne ich.
»Ich meine es ernst.«
Es ist zu viel. Ehe ich etwas dagegen tun kann, erbreche ich mich auf den Gehsteig.
Es fühlt sich an, als hätte mich jemand in eine Schraubzwinge gesteckt, die nun sämtliche Luft aus meinen Lungen presst.
»Bitte, tut ihm nicht weh. Ich tue alles, was ihr von mir verlangt.«
»Dort drüben steht der Wagen.«
❧ 72
C ecile zerrt mich zu einem schwarzen Wagen, der unter einer hellen Straßenlaterne geparkt steht. Er sieht reichlich ramponiert aus, und als sie die hintere Tür öffnet, stoße ich unwillkürlich einen leisen Schrei aus.
Einer der unheimlichsten Männer, die ich je gesehen habe, blickt mich vom Rücksitz aus an: Er ist vollständig kahl, feist, breitschultrig und trägt eine Lederjacke im Blazerstil und eine Brille mit kleinen runden Gläsern, die seine Augen winzig und insektenhaft wirken lassen.
Er streckt mir die Hand entgegen. »Warren. Ich bin der Kopf von PAIN . Freut mich, dich endlich kennenzulernen.«
Ich weiche zurück.
Auf dem Beifahrersitz sitzt eine Frau mit platinblondem Haar und blutrotem Lippenstift. Ihre Augen sind tiefdunkel wie Kohlestücke, außerdem hat sie sich so stark die Wimpern getuscht, dass sie wie Spinnenbeine abstehen.
»Und von Yasmina hast du bestimmt auch schon gehört«, fährt Warren mit einem Nicken in ihre Richtung fort. »Sie ist meine Partnerin und eine gute Freundin von Marc Blackwell.«
Mir steigt ein undefinierbarer Geruch in die Nase … nach ungewaschener Haut und etwas Chemischem, der mich zurückweichen lässt.
»Wie reizend, dass du dich für uns so in Schale geworfen hast«, erklärt Warren. »Sehr hübsch.«
»Wo ist Sammy?«, will ich wissen.
»Komm mit, dann erfährst du es.«
»Bitte. Ihr habt ihm doch nichts angetan, oder? Geht es ihm gut?«
»Das wird es bald. Wenn du in den Wagen steigst. Und zwar jetzt sofort.«
Ich nicke und steige ein, sorgsam darauf bedacht, möglichst viel Abstand zu Warren zu halten. Doch er beugt sich zu mir herüber.
»Ich beiße nicht«, raunt er. Mir wird bewusst, dass er genau gleich tickt wie Getty – die Angst einer Frau erregt ihn. »Zumindest noch nicht.«
Ich setze mich aufrecht hin und versuche, so entspannt und souverän wie möglich zu wirken – was allerdings ziemlich schwierig ist, da mir das Herz bis zum Hals schlägt.
Cecile tritt um den Wagen herum und setzt sich hinters Steuer.
»Gut gemacht, Cecile«, sagt Yasmina. Ihre Stimme ist leise und kehlig. »Gute Arbeit.«
»Danke, Yasmina«, gibt Cecile mit widerwärtiger Süßlichkeit zurück. »Ich habe dir doch gleich gesagt, dass ich es schaffe, sie zu schnappen.«
Sie lässt den Motor an.
Beklommen sehe ich zu Marcs Haus hinüber, als sich der Wagen vom Straßenrand löst.
An der nächsten Kreuzung dreht Yasmina sich zu mir um. »Wir werden eine Menge Spaß mit dir haben.« Ich sehe, wie sich ihre grellroten Lippen im Halbdunkel bewegen. Ihre Haut ist ganz weiß, was durch das teigige Make-up noch betont wird. »Du verdienst ein wenig Schmerzen, meinst du nicht auch? Nach allem, was du angerichtet hast.«
»Was ich angerichtet habe?«
»Ich spreche von Giles Getty. Er war eines unserer loyalsten Mitglieder.«
Ich schüttle den Kopf. »Getty hat mich entführt. Ich habe ihm nichts getan, rein gar nichts.«
»Trotzdem sitzt er im Gefängnis. Deinetwegen. Und die Polizei ermittelt gegen unsere Organisation, deshalb sind wir gezwungen, uns im Untergrund aufzuhalten.«
»Sagt mir doch bitte, dass es Sammy gut geht.«
»Still jetzt. Von uns bekommst du keine Antworten. Sondern umgekehrt.«
Cecile fährt weiter durch die nächtlichen Straßen.
❧ 73
I ch sehe aus dem Fenster und beobachte, wie die bildschönen, feudalen Wohnhäuser allmählich plumpen Betonkomplexen, engen Gassen und Marktständen weichen. Offenbar befinden wir uns inzwischen in East London.
Schließlich hält Cecile vor einem mehrstöckigen Gebäude an, das aussieht, als wäre es ausgebombt worden – ein rußgeschwärztes Betonskelett ohne Fensterscheiben oder Eingangstür.
Yasmina steigt aus und öffnet die hintere Tür. Nun, da ich sie richtig sehen kann, bemerke ich auch das Netz aus Narben, das ihre Wangen unter der weißlichen Make-up-Schicht bedeckt.
Sie trägt eine schmal geschnittene schwarze Hose, High Heels und ein schwarzes Mieder, das ihre Taille wespengleich zusammenschnürt.
»Aussteigen!«, ruft sie, packt mich am Arm und zerrt mich aus dem Wagen.
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