Gefaehrliches Verlangen
abgedreht, und schon sind die Leute in alle Winde zerstreut.«
»Aber ich will nicht, dass das auch mit uns passiert. Und ich werde es auch nicht zulassen. Du bist ein guter Freund für mich geworden.«
Leo legt sich Zeige- und Mittelfinger auf die Brust. »Okay. Großes Indianerehrenwort. Wir bleiben in Kontakt.«
Ich lache. »Hugh.«
❧ 69
I n dieser Nacht bin ich so ruhelos, dass ich erst in den frühen Morgenstunden Schlaf finde. Endlich, endlich, nach endlosen drei Monaten ist der Tag gekommen, an dem ich Marc wiedersehen darf.
Als ich nach unten gehe, höre ich Jen im Garten. Ich folge ihrer Stimme auf die Terrasse, wo sie die rote Wachsschale eines Minikäses für Sammy entfernt.
»Morgen, Soph. Na, letzter Tag heute, was?«
»Noch vierzehn Stunden.« Ich setze mich an den Tisch und sehe Sammy zu, der im Gras sitzt und spielt. Es ist angenehm warm. »Und ich werde jede Sekunde bis dahin zählen.«
Jen lächelt. »Neben euch sind Romeo und Julia die reinsten Waisenkinder. Wie läuft euer großes Treffen heute Abend denn ab? Lässt er um Punkt Mitternacht ein Feuerwerk über der Themse zünden?«
Ich lache. »Keine Ahnung. Wir dürfen ja nicht miteinander sprechen, schon vergessen? Aber ich hoffe, Marc holt mich nach der Vorstellung im Theater ab.«
»Bereitet dir die Ungewissheit, wann und unter welchen Umständen du ihn wiedersehen wirst, Kopfzerbrechen?«
»Nein, überhaupt nicht. Ich muss nur diese letzten Stunden überstehen – das ist das viel größere Problem.«
»Du hast sogar gesungen, als du herausgekommen bist. So wie früher. Bekomme ich etwa meine glückliche Sophia zurück?«
»Das möchte ich doch hoffen.«
Rodney steckt den Kopf zur Hintertür heraus. »Möchten Sie frühstücken, Sophia?«
Den Rest des Tages verbringe ich mit Jen und Sammy und reite eine Runde mit Ebony aus.
Nach dem Essen – wie üblich streite ich mich mit Rodney, wer den Abwasch übernimmt – klopft es an der Tür.
»Ich gehe schon«, sage ich und trockne mir die Hände an einem Geschirrtuch ab. »Bestimmt hat Dad seine Geldbörse vergessen.«
Dad ist heute Abend mit Denise ausgegangen. Wieder einmal. Die beiden sind ein Herz und eine Seele. Es ist schön zu wissen, dass es einen so freundlichen und liebevollen Menschen in Dads Leben gibt, auch wenn ich immer noch traurig über das unschöne Ende seiner Ehe mit Genoveva bin.
Im Dorf geht das Gerücht, zwischen ihr und ihrem Arzt laufe es nicht sonderlich gut, weswegen sie mittlerweile ins Hotel gezogen sei. Aber da sie sich nie meldet und auch auf Dads Anrufe nicht reagiert, kann ich es nicht mit Gewissheit sagen.
Zugegebenermaßen bin ich froh, dass Genoveva keine Anstalten macht, zu ihm zurückzukehren. Sie hat ihr wahres Gesicht gezeigt, und wenn ihr Sammy nicht einmal genug bedeutet, dass sie ihn besuchen will, ist es kein großer Verlust, sie nicht mehr als Teil unserer Familie zu haben. Ich werde immer für ihn da sein, genauso wie Jen, Dad und Denise.
»Ich gehe schon, Jen!«, rufe ich nach oben, wo sie gerade Sammy badet, und mache die Tür auf.
Leo steht in einem weißen T -Shirt und zerrissenen Jeans auf der Schwelle.
»Hey, kleine Heldin«, begrüßt er mich. »Ich dachte, da heute Abend unsere letzte Vorstellung ist, hole ich dich ein letztes Mal von zu Hause ab.« Er späht über meine Schulter. »Ist Jen auch da?«
Ich grinse. »Ja, ist sie. Du hast hoffentlich keinen Hunger. Wir haben nämlich gerade gegessen.«
Leo schüttelt den Kopf. »Nein, ich bin nur hier, weil ich mir das Vergnügen deiner Gesellschaft nicht entgehen lassen will. Und der von Jen vielleicht.«
Mein Grinsen wird noch eine Spur breiter. »Komm rein. Keith wollte in einer halben Stunde hier sein. Jen und du habt also genug Zeit, eure Gesellschaft zu genießen. Ich glaube, ich muss noch kurz in den Garten …«
❧ 70
A ls Keith vorfährt, muss ich Leo förmlich von Jen wegzerren – was er jedoch erst zulässt, nachdem sie ihm ihre Nummer gegeben und versprochen hat, mit ihm auszugehen.
Auf dem Weg in die Stadt plappert er ununterbrochen von Jen, vom Cottage bis zum Theater, und ich habe das große Vergnügen, ihm zu bestätigen, was für ein wunderbarer Mensch Jen ist.
Unsere letzte Vorstellung läuft ganz hervorragend. Immer wieder muss ich mir vor Augen führen, dass mit dem heutigen Abend meine erste Saison bei einem richtigen West-End-Musical zu Ende geht, trotzdem vergesse ich keine Sekunde lang, dass ich Marc bald wiedersehen werde.
Als der
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