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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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jungen Ewigen durch andere Gemächer, Flure und Treppenfluchten,
bis sie endlich draußen vor dem Palast standen, und dann weiter durch die Straßen der Letzten Stadt.
    Zunächst schwiegen sie, während sie sich immer weiter von der Residenz entfernten. Auf dem Weg wurde Atur ab und zu herzlich gegrüßt. Der Sohn des Regenten erwiderte die Grüße und die anderen Ewigen eilten weiter, ohne überhaupt von Tyke Notiz zu nehmen. Nachdem das fünf- oder sechsmal geschehen war, wandte sich Tyke ein wenig verwirrt an Atur.
    »Warum tun alle so, als ob ich gar nicht da wäre?«, fragte er.
    »Weil du ein Sterblicher bist«, antwortete Atur ganz ruhig. Doch er merkte sofort, dass seine Antwort zu hart gewesen war, blieb stehen und legte Tyke eine Hand auf die Schulter. »Mach dir deswegen keine Gedanken«, sagte er. »Die Ewigen sind Sterblichen gegenüber immer etwas skeptisch, vor allem in dieser Zeit, wo man nicht so genau weiß, ob man ihnen trauen kann. Aber die Leute hier sind alle gerecht, das versichere ich dir, und sie wissen mutige Männer zu schätzen. Du wirst dich schon noch wohlfühlen in unserer Stadt. Schade, dass wir sie höchstwahrscheinlich schon bald aufgeben und dem Feind überlassen müssen.«
    »Die Stadt den Schwarzen Truppen überlassen?« Tyke starrte ihn entsetzt an. »Warum solltet ihr, entschuldige, sollten wir das tun?«
    Atur seufzte, als ob es ihm schwerfiele, darüber zu reden. »Du hast es doch gesehen: Inzwischen sind fast nur noch Soldaten in der Stadt. Von der restlichen Bevölkerung sind kaum mehr als die geblieben, die nicht fortkonnten. Wir erwarten jeden Moment einen Angriff, und vor dem Abend werde ich dir zeigen, warum. Wir haben bereits in aller Eile die Einwohner evakuiert, um nicht das Leben von zahlreichen Unschuldigen zu gefährden. Aber dass uns die Sterblichen - allen voran dein Bruder - an der Seite der Goblins angreifen, das hat uns wirklich unerwartet getroffen. Die Grenzregion ist weit von Dardamen und den
anderen Städten des Ewigen Königreichs entfernt, dazwischen erstreckt sich die Ödnis, zudem ist unser Heer im Nordwesten bereits reichlich beschäftigt, und so ist es unmöglich, rechtzeitig Truppen von Dardamen hierher zu bringen. Wir hatten uns darauf verlassen, dass die Sterblichen in Zeiten der Not zu uns stehen, aber du weißt ja besser als ich, was passiert ist. So haben wir hier zur Verteidigung der Grenze bloß noch die Freie Garde.«
    »Die Freie Garde?« Tyke war ganz neugierig geworden. »Was soll das denn sein?«
    »Was, du kennst die Freie Garde nicht?« Atur warf ihm einen verwunderten Blick zu, wurde aber gleich wieder freundlicher. »Entschuldige, du bist ja ein Sterblicher, daher kannst du es gar nicht wissen. Die Freie Garde gehört nicht zum regulären Heer und für sie greift nicht einmal in Kriegszeiten die allgemeine Wehrpflicht. Es steht jedoch den männlichen Ewigen jeden Alters frei, ihr beizutreten. Ihr wichtigstes Ziel ist es, bei Gefahr die Grenze zu verteidigen, wenn es in der Eile nicht möglich ist, das Heer heranzuziehen. Im Moment zählt sie etwa fünftausend Mann, was wenig ist, wenn du an unseren Feind denkst. Das reicht nicht einmal aus, um die Letzte Stadt zu halten. Keiner wüsste das besser als ich, denn zur Zeit kommandiere ich die Freie Garde. Unser Hauptmann,Ventel Weißhand, der zukünftige Ehemann meiner Schwester, ist vor einiger Zeit nach Dardamen aufgebrochen und nie mehr zurückgekehrt. Viele sind mittlerweile davon überzeugt, dass er tot ist.«
    Tyke schwieg einen Moment. Er wäre gern der Freien Garde beigetreten, aber er bezweifelte, dass die Ewigen in ihren Reihen einen Sterblichen aufnehmen würden.Wieder schaute er zu Atur, der finster seinen eigenen Gedanken nachhing. »Wohin bringst du mich eigentlich?«, fragte er nun. Sie hatten inzwischen die Stadttore passiert und marschierten auf einem schmalen Feldweg, der allmählich anstieg.
    »Zum nördlichen Wachtposten«, antwortete Atur und zeigte
auf einen schwarzen Turm, der sich in der Ferne erhob. »Ich zeige dir, warum wir unsere Stadt praktisch schon verloren haben.«
    Der nördliche Wachtposten war weiter entfernt, als es zunächst den Anschein hatte. Es musste schon Mittag sein, als sie dort ankamen, denn die Sonne schien senkrecht auf ihre Köpfe. Atur stieß die Tür des Turmes auf und führte Tyke über einige Treppen nach oben. Dort war eine kleine Aussichtsplattform, die von einem Sonnendach geschützt war.Von hier aus konnte man mehrere Meilen weit

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