Gefaehrten der Finsternis
heute so gut wie damals. Es gibt sie bestimmt irgendwo, sie hatten nur bislang keine Gelegenheit, in Erscheinung zu treten. Oder vielleicht wollten wir sie auch nicht zur Kenntnis nehmen. Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir am Ende dieses Krieges ein Dutzend neuer inspirierender Helden haben, von denen man in zweitausend Jahren sagen wird, dass es keine Helden mehr wie sie gibt.«
»Das Ende des Krieges«, murmelte Vandriyan vor sich hin. Er war wieder ernst geworden.
»Was ist denn daran merkwürdig? Früher oder später wird auch dieser Krieg ein Ende nehmen.«
»Aber du klingst so, als würde bereits feststehen, dass wir gewinnen werden«, warf Vandriyan ein und schickte seinen Worten noch einen stummen Fluch hinterher. »Dabei zeichnet sich doch
ganz klar ab, dass wir es dieses Mal allein nicht schaffen können! Es ist doch so offensichtlich, dass sie tausend Mal mehr Leute haben als wir.«
»Siehst du?« Greyannah klang nun wehmütig. »Auch du hast aufgegeben, Vandriyan. Anscheinend neigen in letzter Zeit alle zum Pessimismus. Keine Helden, keine Streitkräfte, keine Möglichkeit auf Sieg, dann können wir gleich alle sterben.« Sein Gesicht hatte sich gerötet und er holte noch einmal tief Luft. »Ich nicht. Ich niemals! Ich gebe nicht auf. Ich glaube noch an uns, Vandriyan! Ich glaube noch so wie am ersten Tag, als ich zu kämpfen begann. Ihr könnt mich von mir aus tausendmal fragen - meine Antwort wird immer dieselbe sein: Ja, verflucht noch mal, wir werden gewinnen!«
»Ich beneide dich«, meinte Vandriyan traurig. »Wie kannst du dir so sicher sein?«
Greyannah erhob sich und wischte sich die Hände an seinem faltenreichen rostfarbenem Hemd ab. Die goldblonden Zöpfe umrahmten sein stolzes und hartes Gesicht. »Das wird wohl daran liegen, dass ich verrückt bin«, sagte er leise.
Der Herr der Finsternis saß nachdenklich vor einem Schachbrett. Um seine schmalen Schultern hatte er sich seinen blauen Umhang gelegt, auf die seine Haare in unordentlichen Strähnen herabfielen. Seine leuchtend blauen Augen starrten auf die Spielfiguren vor ihm. In diesem Moment wirkte er wie ein ganz normaler junger Mann, dessen Ohren ein wenig zu spitz für einen reinblütigen Sterblichen geraten waren und der ganz in sein Schachspiel vertieft war. Nichts ließ in diesem Augenblick sein wahres Alter erkennen - mehr als zweitausend Jahre -, oder seine Kräfte, seine Verschlagenheit oder seine riesige heimliche Macht. Nichts. Umso mehr, als er gerade dabei war, die Partie trotz seiner klugen Strategien zu verlieren.
Er schob einen Läufer drei Felder weiter, aber sogleich wurde
ihm klar, dass er damit Scrubb die Möglichkeit verschafft hatte, seine Königin zu schlagen. Was Scrubb auch unverzüglich tat. Der Dämon hatte wieder seine Menschengestalt angenommen und seine beunruhigenden gelbgrünen Augen suchten die von Gylion.
»Du bist unkonzentriert«, sagte er, als sein Freund einen weiteren unüberlegten Zug machte. »Hier: Schach dem König. Heute schlage ich dich zum ersten Mal.«
»Und zum letzten Mal«, erwiderte Gylion. »Du profitierst nur davon, dass ich nicht bei der Sache bin.«
»Und wo bist du dann, wenn ich fragen darf?« Scrubb streckte eine Hand zum Spielbrett aus und schob den Turm seines Freundes aus dem Schach. »Ich bin dran.«
Gylion schnaufte durch die Nase. Er hob den schwarzen König vom Brett und drehte ihn zwischen seinen Fingern hin und her. »Das bin ich«, sagte er leise. Er stellte ihn mitten auf das Spielfeld. »Und die hier«, jetzt stellte er eine Reihe weißer Bauern auf, »das sind die Ewigen.«
Scrubb starrte die Spielfiguren an. Ihm war nicht ganz klar, worauf sein Freund hinauswollte. Er schob eine Hand in die Tasche seines langen weißen Gewandes. Die Schmuckstücke waren immer noch da, hier unter seinen Fingern, zwei kleine feingearbeitete goldene Ohrringe. Wenn er darüber fuhr, wurden sie ein wenig warm.
Gylion stellte weitere weiße Figuren auf dem Schachbrett auf: die Königin, die beiden Türme und die zwei Springer. »Das könnte Hauptmann Vandriyan sein, das die schöne Eileen, Syrkun und Dardamen, die Rebellen«, zählte er auf. »Und hier steht Lucidious mit seinen Leuten.« Eine ordentliche Reihe schwarzer Bauern gesellte sich zu den anderen Spielfiguren. »Dann wären da noch die Goblins. Die Kobolde. Unsere tapferen Söldner. Ach, und nehmen wir ruhig noch die Untoten dazu.« Mit diesen Worten stellte er alle anderen schwarzen Spielfiguren
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