Gefaehrten der Finsternis
wiedersehen.«
Ganz gegen seinen Willen musste Slyman für den Rest ihrer Reise im Dunkeln über diese Worte nachdenken.
Lyannen hatte den Eindruck, dass sie über die Wipfel der Bäume geführt wurden, und zwar mit Hilfe von langen, knackenden Stegen, die eilig herbeigeschafft und über die Äste geworfen wurden. Irgendwann mussten sie dann die Bäume verlassen und eine Weile marschierten sie immer geradeaus. Dann hörte er das Rauschen eines Flusses, aber auch das wurde bald leiser und sie liefen immer noch weiter geradeaus. Nun merkte Lyannen, dass ihr Weg erneut über die Kronen der Bäume führte, und eine Weile liefen sie wieder über die luftigen Stege. Schließlich hörte er lautes Stimmengewirr. Ein Vorhang wurde raschelnd beiseitegeschoben und dann vernahm er das geräuschvolle Klappern ihrer Schuhe auf einem Holzfußboden.
Jemand versetzte ihm einen unsanften Stoß. Lyannen stolperte und fiel an einer Wand zu Boden. Glücklicherweise hatte er noch geistesgegenwärtig die Hände vorstrecken können, sonst wäre er mit seinem Kopf gegen einen Balken geprallt. Eine Weile blieb er zusammengekrümmt auf dem rauen Holzboden liegen, wie ein weggeworfenes Bündel Lumpen, und lauschte nur auf die vorübereilenden Schritte und die unverständlichen Stimmen hinter ihm. Sie sprachen zwar eine ihm unbekannte, raue Sprache,
doch es kam ihm vor, als wäre die mit einem Dialekt der Sterblichen verwandt. Dann entfernten sich die Stimmen wieder. Jemand richtete Lyannen energisch auf und nahm ihm endlich die Augenbinde ab.
Das Erste, was er sah, war das besorgte Gesicht von Ventel über ihm. Er und seine Gefährten waren nun allein, in einem rustikal wirkenden Raum, dessen Holzwände mit Gobelins verkleidet waren. Jemand hatte die Tür von außen verschlossen. Die anderen hatten sich die Augenbinden bereits abgenommen und schauten sich verwundert um.
Lyannen sah kurz zu Ventel, dann senkte er den Kopf und rieb sich die Stirn. »Kann mir mal jemand erklären, was hier gerade vor sich geht?«, fragte er.
Ventel legte ihm eine Hand auf die Schulter und versetzte ihm mit der anderen einen freundschaftlichen Stoß. »Ich erkläre es dir«, versprach er. »Ich erkläre dir gleich alles.Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, wir kommen hier schon wieder raus.«
Lyannen nickte. »Dann lass mal hören.«
Als Ventel sich im Schneidersitz niederließ, knarrte der Boden unter ihm. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, aber ich werde es versuchen. Ihr fragt euch bestimmt, warum wir uns nicht sofort mit Waffengewalt widersetzt haben, als sie uns in diesem Hinterhalt in der Schlucht überrascht haben. Die Antwort ist einfach: Ich wusste, dass sie uns auf keinen Fall töten würden, dazu wäre es ein zu ungleicher Kampf gewesen. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass wir uns unsere Waffen wiederbeschaffen und von hier verschwinden können. Ich weiß nur noch nicht, wie. Im Übrigen sind wir nicht völlig unbewaffnet - zum Glück haben sie uns nicht durchsucht, so konnte ich meinen Dolch unter meinem Umhang verbergen. Gut, das ist nicht gerade viel, aber besser als nichts.«
»Und bis hierhin ist ja auch alles in Ordnung«, stimmte ihm Lyannen zu. »Aber eigentlich hast du uns nichts gesagt, was wir
nicht bereits wüssten oder uns zusammengereimt haben. Dass sie uns zahlenmäßig deutlich überlegen sind, haben wir alle gesehen, und es war nicht nötig, dass du mich daran erinnerst. Ich hätte viel lieber eine Antwort auf eine andere Frage: Wer sind diese Wesen? Und warum sind es nur Frauen?«
»Sie sind im Ewigen Königreich und auch im Nebelreich wohlbekannt, aber sie haben keinen sehr guten Ruf«, sagte Ventel. »Für die Bewohner der Wälder sind sie richtiggehend eine Geißel. Wenn du jemals einen Köhler aus den Wäldern triffst, dann frag ihn doch nach den Amazonenpriesterinnen und er wird dir bestimmt eine bessere Antwort geben können als ich.«
»Halt, warte mal einen Moment!«, unterbrach sie Validen. »Die Amazonen kenne ich oder zumindest habe ich von ihnen gehört. Allerdings nicht unbedingt Gutes. Soweit ich weiß, töten sie alle männlichen Nachkommen, weil sie sie für unrein halten. Dafür kämpfen sie selbst wie Männer, oft sind sie sogar noch stärker. Ich weiß auch, dass sie im letzten Krieg gegen die Finsternis an der Seite der Ewigen in die Schlacht gezogen sind. Aber sie sind ein sehr stolzes Volk, und nachdem alles vorbei war, haben sie sich zurückgezogen und uns ihre Loyalität
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