Gefaehrten der Finsternis
Irdris mit klarer und hoher Stimme.
Lyannen schaute sie hoffnungsvoll an. Seine Lage war aussichtslos, da konnte er nicht allzu wählerisch sein. Er spürte jedoch intuitiv, dass er diesem Mädchen vertrauen konnte. Sie machte einen intelligenten und vernünftigen Eindruck, kannte sich hier aus und außerdem war sie eine Halbsterbliche, genau wie er. Das gab für Lyannen den Ausschlag.
»Die gibt es auch«, sagte Irdris erneut, doch dieses Mal klang ihre Stimme nicht mehr so sicher. »Aber sie ist riskant. Und das Ganze hat seinen Preis.«
»Jetzt rede schon!« Lyannen hatte für sich bereits beschlossen, dass er dieses Risiko in jedem Fall eingehen würde.
»Ich werde dir helfen, von hier fortzukommen. Es ist nicht völlig unmöglich, obwohl es natürlich gefährlich ist. Ich werde dir dabei helfen, dass du dich mit deinen Freunden in Verbindung setzen kannst. Ich weiß, wo sie sind, ihr könnt euch Botschaften schreiben und ich werde dann dafür sorgen, dass sie überbracht werden. Da gibt es zwar das kleine Problem, dass ich sie nicht persönlich ausliefern kann, denn ich bin noch
zu jung, um über die Gefangenen zu wachen. Aber ich werde Ayanna dafür einspannen, ich bin sicher, dass sie mitmacht. Ayanna«, erklärte sie, als sie Lyannens verwirrtes Gesicht sah, »ist meine große Schwester. Das Mädchen, das euch im Wald gefangen genommen hat.«
Lyannen hatte noch eine sehr klare Erinnerung an die großgewachsene junge Frau mit den dunkelbraunen Locken, die sich über sie lustig gemacht hatte. Er musste sogar kurz lächeln, als er daran dachte, wie sie Ventel einen hübschen Blondschopf genannt hatte. Dann nickte er. »Ja gut? Aber wieso sollte sie uns helfen? Liebt sie etwa auch das Abenteuer?« Er war wieder in seine Ironie verfallen und schaute Irdris herausfordernd an.
»Wieso?« Irdris lachte hell auf, was Lyannen noch mehr verwirrte. »Ach, es ist so lächerlich! Weil sie sich verliebt hat, das ist der Grund! Die Liebe hat wie ein Blitz bei ihr eingeschlagen und sie hat sich in dieses Jüngelchen verguckt! Ausgerechnet sie, die immer so große Reden geschwungen hat, kein Mann könne gut genug sein, dass sie sich in ihn verlieben würde.«
»Dieses Jüngelchen?«, wiederholte Lyannen wie ein Papagei und versuchte immer noch, den Grund für Irdris’ unvermittelte Heiterkeit herauszufinden. »Doch nicht etwa in Slyman?«
»Was weiß denn ich? So vertraut bin ich nicht mit euch, ich habe keine Ahnung, wie ihr alle heißt«, entgegnete Irdris. »Ein Junge mit ganz hellen Haaren und hellgrünen Augen, der nicht älter als sechzehn, siebzehn Jahre alt sein kann. Er hatte ein schönes altes Schwert.Woher er das wohl hat?«
»Slyman«, bestätigte Lyannen. »Ich frage mich auch, woher er es hat.Wenn man ihn danach fragt, faselt er was von einem uralten Helden, der schon vor ein paar Tausend Jahren gestorben sein muss, und das Ganze klingt ziemlich unglaubwürdig. Und du denkst wirklich, dass deine Schwester in ihn verliebt ist?«
»Aber ganz sicher«, sagte Irdris immer noch heiter. »Und sie wird euch gewiss helfen, glaub mir. Sie mag impulsiv sein, aber
sie ist sehr intelligent. Sie könnte euch wirklich eine große Hilfe sein.«
»Und wie?« Lyannen war nicht besonders überzeugt. »Ich kann nicht einmal mit meinem Bruder sprechen. Ich habe keine Ahnung, wo man unsere Waffen versteckt hat. Da bringt es mir unglaublich viel, wenn ich jetzt weiß, dass deine Schwester sich in Slyman verguckt hat!«
»Dir kann man es aber wirklich nicht recht machen!« Irdris funkelte ihn wütend an. »Hast du schon einmal in deinem Leben jemandem vertraut?«
»Sag doch gleich, in deinem nutzlosen Leben, wo du schon dabei bist!«, fuhr sie Lyannen barsch an. »Jetzt erklär mir lieber, wie du uns verschwinden lassen willst?«
»Einfach so!« Irdris schnippte mit den Fingern und brach wieder in Gelächter aus, als hätte sie gerade die witzigste Bemerkung der Welt gemacht. In Lyannen keimte der Verdacht auf, dass sie ein wenig verrückt sein musste.
»Verrückt? Oh nein, ich bin wirklich nicht verrückt!,« rief Irdris aus, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Ich habe schon einen ziemlich genauen Plan im Kopf, aber bitte mich nicht, ihn dir zu erklären, denn das werde ich nicht tun. Und wie immer auf dieser Welt hat eure Freiheit natürlich einen Preis.«
»Einen Preis? Was für einen Preis?«
»Es wird nicht allzu schlimm, nur keine Bange«, sagte sie. »Eigentlich nichts Besonderes: Ich will mit euch
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