Gefaehrten der Finsternis
sollst, oder hat er noch etwas gesagt?«
»Er hat mir nichts anderes aufgetragen«, antwortete Gershir und spielte mit einem Paar kostbarer Smaragdohrringe herum, die auf dem Nachttischchen seines Vaters lagen. »Aber das bedeutet nicht, dass er gar nichts gesagt hat. ›Das wird eine schöne Überraschung für Vandriyan werden‹, sagte er und kicherte dazu. Also, auf mich hat er ziemlich verrückt gewirkt«, sagte er leicht dahin, schien seine Worte aber gleich darauf zu bereuen.
»Er ist tatsächlich ein wenig verrückt«, bestätigte ihm Vandriyan und erlöste ihn damit aus seiner Verlegenheit. »Das sagt er sogar selbst. Aber er ist ein großartiger Mann.« Zufrieden drehte er sich vor dem Spiegel. »Ich freue mich schon auf diese schöne Überraschung. Und du, was hast du jetzt vor?«
»Ich habe es dir doch schon gesagt, ich bin im Dienst«, wiederholte Gershir. »Noch den ganzen Morgen. Hauptmann Fardan wünscht, dass ich dabei helfe, die vierhundert Männer unterzubringen, die gestern aus dem Norden eingetroffen sind. Sag mal, könnten das nicht viel besser die Leute aus der Garnison Syrkun selbst übernehmen?«
»Na ja, wie auch immer, ich muss gehen«, sagte Vandriyan und schritt auf die Tür zu. »Und du auch. Du solltest Fardan besser gehorchen, wenn du jemals Karriere machen möchtest.«
»Ich wusste ja, dass man irgendwo anfangen muss, aber ich hatte dabei an etwas heldenhaftere Aufgaben gedacht«, gestand Gershir niedergeschlagen. »Wir sehen uns dann beim Mittagessen, Vater.«
»Bis später.« Vandriyan klopfte seinem Sohn freundschaftlich auf die Schulter, ehe er in den langen Flur einbog, der direkt zu Greyannahs Arbeitszimmer führte.
Auf dem Weg dahin begegneten ihm mehrere Männer der Garnison Syrkun und vom Geflügelten Sturm, die in Hinblick auf den unmittelbar bevorstehenden Angriff irgendwelche Befestigungsarbeiten ausführten. Hier und da entdeckte er auch eine Uniform der Freien Garde. Der Verlust der Letzten Stadt hatte Vandriyan schmerzlich getroffen, doch er war froh, dass der Regent bei seiner Flucht auch den jungen Mirnar hatte retten können. Dieser junge Mann hatte ihm vom ersten Moment an gefallen - er war intelligent, loyal und mutig, und er hatte das, was ihm widerfahren war, nüchtern und ehrlich geschildert.Tränen hatten ihm in den Augen gestanden, als er vom Tod seiner Freunde erzählte und sich über die Finsternis und ihre Verbündeten empörte.Vandriyan hatte sich geschworen, dass er diesem Jungen dabei helfen würde, den Thron seines Königreichs zurückzuerobern, denn er hatte ihn mehr als jeder andere verdient. Wenn es jemanden in den Benachbarten Reichen gab, der würdig war, das Thronerbe des Nebelreichs anzutreten, dann ganz sicher Tyke von Mirnar.
Nun hatte er Greyannahs Arbeitszimmer erreicht. Die beiden Wachen in den hellblau-silbernen Uniformen der Garnison salutierten freundlich, bevor sie ihm die Tür öffneten. Vandriyan erwiderte den Gruß mit einem Nicken und trat ein, während sich die Wachen aufgeregte Blicke zuwarfen. Von dem Letzten der Ersten gegrüßt zu werden, passierte einem schließlich nicht jedem Tag.
Greyannah lag in einer seiner üblichen Anti-Uniformen - dieses
Mal eine gewagte Kombination in Senfgelb und Schwarz - auf dem Sofa und nippte abwesend aus einem Kristallglas, das das Wappen der Feste zierte. Eine Hornspange hielt seine unzähligen Zöpfchen zusammen. Als er Vandriyan hereinkommen sah, grüßte er ihn mit einer erfreuten Geste und forderte ihn auf, sich zu setzen.Vandriyan ließ sich in einen Ledersessel fallen, und Greyannah beeilte sich, ihm ebenfalls etwas einzuschenken.
»Wein von Rosen und Lilien«, sagte er und reichte ihm das Glas. »Trotz allem ein sehr guter Jahrgang. Koste, und dann sag mir, was du davon hältst.«
Vandriyan leerte das Glas auf einen Zug. »Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht«, meinte er und zeichnete mit dem Finger das Wappen der Feste nach. »Hast du die guten Gläser hervorgeholt?«, fragte er lächelnd und stellte das Glas auf den Tisch zurück. »Was ist los, erwarten wir etwa Gäste?«
»Ja, ganz genau.« Greyannah goss sich ein weiteres Mal ein und trank betont langsam von seinem Wein. »Soeben ist aus dem Westen der bunteste Haufen eingetroffen, den ich je gesehen habe, und ich denke, du würdest die Mannschaft gerne sehen.«
»Warum, wer sollte das sein?« Vandriyan schaute ihn misstrauisch an. »Leute, die mir Geld schulden?«, fragte er scherzhaft.
»Nein.« Greyannah
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