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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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und feucht. Die in den Boden eingelassenen großen Wannen waren mit warmem Wasser gefüllt und in jeder von ihnen fanden bis zu fünf Personen Platz. Lyannen zählte neun Wannen, doch ein Teil des Raumes war durch einen geblümten Paravent abgetrennt. Helle Ewigenstimmen erfüllten den Raum, denn fast alle Männer, die gerade nicht mit Befestigungsarbeiten und Militärdienst beschäftigt waren, saßen hier bis zum Hals im Wasser und unterhielten sich angeregt. Lyannen trat an die ihm nächstgelegene Wanne. Darin saß nur ein junger Mann, der ungefähr sein Alter zu haben schien. Und der ganz offensichtlich kein Ewiger war - seine langen Haare waren schwarz mit ein paar Silbersträhnen darin, und er war auch nur etwa einen Meter fünfundsiebzig groß. Die gefärbten Haare und die blasse Hautfarbe verrieten, dass er ein Sterblicher aus dem Nebelreich war. Aber was machte so einer in Syrkun? Lyannen war neugierig geworden. Außerdem sah ihm der junge Mann doch ziemlich ähnlich, da konnte es bestimmt nicht schaden, ein wenig mit ihm zu plaudern.
    »Störe ich?«, fragte er also.
    Die Frage war überflüssig, aber der junge Mann riss seine gro-ßen grauen Augen auf und verneinte mit einem Kopfschütteln, das mindestens ebenso überflüssig war. Mit einem wohligen Seufzer glitt Lyannen ins Wasser. Nach so langer Zeit, in der er kein richtiges Bad mehr genommen hatte, fühlte sich die Wärme auf
seiner Haut sehr angenehm an. Er spürte, dass der junge Sterbliche ihn aufmerksam musterte. Beide schienen neugierig, etwas über den anderen zu erfahren, aber sie schämten sich anscheinend auch beide, danach zu fragen. So schwiegen sie eine Weile vor sich hin.
    Schließlich beschloss Lyannen, den ersten Schritt zu wagen. Er ließ sich zu dem jungen Mann hinübergleiten und streckte ihm eine tropfnasse Hand hin. »Also, ich heiße Lyannen, sehr erfreut«, sagte er.
    Ein strahlendes Lächeln erschien auf dem Gesicht des jungen Mannes und er ergriff freudig Lyannens Hand.An seinem Mittelfinger trug er einen Siegelring mit einem Wappen, das Lyannen bekannt vorkam. »Die Ehre ist ganz meinerseits. Tyke von Mirnar.«
    Lyannen entfuhr ein ganz und gar nicht höflicher Ausruf: »Mirnar!«, wiederholte er perplex. »Dann bist du ja von königlichem Geblüt!«
    Tyke senkte den Blick. »Ja, leider«, sagte er leise. »Darauf könnte ich gerne verzichten.« Mit einem Schwung warf er seine silberschwarzen Haare nach hinten. »Bist du ein Halbsterblicher?«, fragte er genauso direkt zurück.
    »Darauf könnte ich wiederum gerne verzichten«, antwortete Lyannen. Dann schauten sich die beiden einen Moment lang in die Augen und prusteten gleichzeitig los.
    Nun war das Eis zwischen ihnen gebrochen, und sie unterhielten sich lange, ohne dass ihnen irgendetwas peinlich war. Lyannen erzählte von Eileens Entführung und der Mission seiner Rebellen. Dabei stellte sich heraus, dass Tyke von Lucidious etwas über Prinzessin Eileen erfahren hatte, doch leider konnte er Lyannen damit nichts Neues berichten. In einem plötzlichen Mitteilungsbedürfnis vertraute Lyannen seiner neuen Bekanntschaft sogar seine hoffnungslose Liebe zu Eileen an.
    Tyke hörte ihm schweigend und ernst zu. »Seit ich die Seiten
gewechselt habe, wird mir immer klarer, dass nichts wirklich unmöglich ist«, sagte er schließlich. »Gib die Hoffnung nicht auf.«
    Lyannen war ihm dankbar für diese aufmunternden Worte.
    Dann erzählte Tyke seine Geschichte: Er berichtete von Lucidious’ Verrat und seinem Pakt mit dem Feind, davon, wie er fast getötet wurde und vier Dämonen und einem Riesenork entkommen konnte, wie er die Letzte Stadt erreicht und dann deren Fall miterlebt hatte.
    Diese letzte Nachricht traf Lyannen schwer, doch er ließ es sich nicht anmerken. »Du hast wirklich Mut bewiesen«, sagte er. »Ich hätte nie gedacht, dass man vier Dämonen und einem wütenden Riesen entwischen könnte!«
    »Das hätte ich auch nie für möglich gehalten«, meinteTyke lächelnd. »Aber wenn sie erst einmal vor dir stehen, dann fängst du doch an, nach dem Ausweg zu suchen.«
    Wieder mussten beide lachen wie zwei alte Freunde. Dann dachte Lyannen darüber nach, was Tyke ihm gesagt hatte, und wurde wieder ernst. »Dieser Lucidious ist wirklich ein niederträchtiger Kerl«, sagte er finster. »Was er dir und deinem Bruder angetan hat! Wenn ich den zwischen die Finger bekäme, würde ich ihn dafür bluten lassen.«
    »Ich nicht«, sagte Tyke. »Oder besser, ich weiß es nicht. Weißt du,

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