Gefaehrten der Finsternis
reden. Ich würde gern etwas essen, bevor wir aufbrechen. Und ich möchte Syrkun vor dem Dunkelwerden erreichen. Der Gedanke, noch eine Nacht in diesen Sümpfen zu verbringen, macht mich krank.«
Ventel lächelte und hielt ihm die Zwiebäcke hin. »Dann iss jetzt etwas.Wir werden bald weiterziehen.«
Während er in den ersten Zwieback biss, dachte Lyannen noch einmal über die Magie nach. Würde sie sich wieder zeigen? Für den Augenblick blieb diese Frage unbeantwortet, wie tausend andere, die ihm durch den Kopf gingen.
SIEBENUNDZWANZIG
V ANDRIYAN LAG NOCH im Bett, als an die Tür seines Zimmers geklopft wurde, und zwar so laut und kräftig, dass man damit die ganze Festung wecken konnte.
Leise vor sich hin fluchend, erhob er sich schnell, um aufzumachen. Er riss die Tür auf - und erkannte auf der Schwelle seinen Sohn Gershir, der versuchte, in seiner zerknitterten Uniform des Geflügelten Sturms so soldatisch wie möglich auszusehen. Gershir lächelte in einer Mischung aus Verlegenheit und schlechtem Gewissen.
»Guten Morgen, einfacher Soldat Gershir!«, rief Vandriyan wütend. »Was gibt es denn so Wichtiges? Ich glaube nicht, dass man deswegen gleich einen solchen Höllenlärm veranstalten muss!«
»Statthalter Greyannah hat mich zu dir geschickt, Vater«, erklärte Gershir. »Herr Hauptmann, wollte ich sagen.«
Vandriyan schnaubte. »Du hättest bloß rufen müssen. Ich habe keinen so tiefen Schlaf wie ihr glücklichen jungen Leute. Eigentlich schlafe ich schon seit Langem gar nicht mehr.« Wütend wandte er sich wieder in sein Zimmer, und er schenkte sich mehrmals Likör aus der Flasche ein, die auf seinem Nachttischchen stand. Er leerte die Gläser auf einen Zug. »Was will denn der liebe Greyannah von mir?«
»Er hat äußerst wichtige Angelegenheiten, hat er gesagt«, berichtete Gershir. »Aber er hat mich gebeten, auf jeden Fall auch
zu sagen, dass nicht etwa der Feind vor den Toren steht, damit du dich nicht allzu sehr aufregst.«
»Na schön.« Vandriyan warf seinen Umhang ab, nahm seine Tageskleider vom Stuhl und zog sie an. Gershir sah ihm mit Bewunderung zu. Ab und an wandte sich der Hauptmann an ihn, um ihn eine Frage zu stellen. »War Greyannah nervös?«, erkundigte er sich und durchwühlte auf der Suche nach einem Kamm seine Toilettenutensilien. »Oder besorgt?«
»Ganz im Gegenteil, er schien sich zu freuen.« Gershir lächelte und ließ sich auf einen Stuhl fallen, ohne darauf zu warten, dass sein Vater ihn dazu aufforderte. »Er strahlte über das ganze Gesicht. Und er spielte beim Sprechen dauernd mit seinen Zöpfchen rum, das hat mich ganz wahnsinnig gemacht.«
Vandriyan lachte leise in sich hinein, während er seine langen blonden Haare kämmte. Der gute Greyannah - er musste wegen irgendeiner unbedeutenden Neuigkeit völlig aus dem Häuschen sein. Vielleicht war ja die berühmte Verstärkung aus Dardamen endlich eingetroffen, vorausgesetzt, sein alter Freund hatte nicht vergessen, deswegen einen Boten zu entsenden. Oder vielleicht hatte ja auch der junge Mirnar noch etwas Interessantes zu enthüllen gehabt.
Der hatte ihnen nämlich auch bestätigt, wie richtig ihre Vermutungen über den Feind waren. Sowohl Vandriyan als auch auch Greyannah war inzwischen klar geworden, dass sie es hier mit einer riesigen Streitmacht zu tun hatten, die viel größer und schrecklicher war als alles, was sie anfangs befürchtet hatten. Auch wenn sie sich zunächst bemüht hatten, die Vorahnungen beiseitezuschieben, mussten sie schließlich doch akzeptieren, dass die absolut richtig gewesen waren. Tyke konnte es bezeugen: Ihr Gegner war der alte Feind, die Finsternis. Und der junge Mirnar hatte noch vieles mehr berichtet. Bis zu ihrer Unterredung hatten sie noch nicht einmal gewusst, dass Lucidious den Thron des Nebelreichs an sich gerissen hatte! Vandriyan kam sich erbärmlich vor.
Früher, als er noch jung gewesen war, hatten die Ewigen immer alles über ihre Nachbarn gewusst, auch in Zeiten des Friedens.
Er wandte sich wieder Gershir zu und diesmal sprach er wie ein Vater zu seinem Sohn: »Nimm dir etwas zu trinken, wenn du möchtest. Die Flasche steht auf dem Nachttisch. Da müsste noch ein sauberes Glas sein.«
Gershir schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann nicht,Vater. Ich bin im Dienst.«
»Sehr gut, mein Junge. Ich wollte dich nur auf die Probe stellen.« Vandriyan strahlte über das ganze Gesicht. »Also, dann erzähl mal. Hat Greyannah dir nur aufgetragen, dass du mich rufen
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