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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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war Drymn dankbar, dass er diese Frage gestellt hatte, denn sie war ihnen allen im Kopf herumgegangen, und alle hatten nur darauf gewartet, dass einer von ihnen endlich laut fragen würde, wer sie eigentlich waren, sich auf ein so wahnsinniges Abenteuer einzulassen. Damit sie gemeinsam eine Antwort finden konnten. Und sie brauchten diese Antwort, denn ohne sie würden sie niemals aufbrechen können, nicht einmal, wenn sie Jahre der Vorbereitung hatten. Sie würde ihnen helfen zu verstehen, was sie getan hatten, oder zumindest zu spüren, was oder wer sie eigentlich im Sitzungssaal dazu getrieben hatte, Vandriyan und Alvidrin zu widersprechen und das anzunehmen, was vielleicht irgendwo schon seit langer Zeit für sie im Buch des Schicksals festgeschrieben stand. Jetzt, wo Drymn dieses Thema auf seine typische schlichte und direkte Art angesprochen hatte, war die lähmende Last des Ungesagten von ihnen genommen. Lyannen konnte jetzt nicht nur reden, er wusste sogar auf einen Schlag die Antwort auf die Frage seines Freundes - so, als ob er sie schon immer gewusst hätte. Ohne Drymn anzusehen, die Augen starr nach oben in den Sonnenuntergang gerichtet, antwortete er: »Wir sind Wahnsinnige, ja vielleicht sind wir das wirklich. Andere könnten uns zweifellos so nennen. Aber vielleicht sind wir auch einfach nur Leute, die sich am Abend hinsetzen und den Sonnenuntergang betrachten, ohne zu wissen, warum. Leute, die sich die falschen Fragen stellen, ohne über den
Grund dafür nachzudenken. Leute, die Regeln ablehnen, Leute, die eine Realität nicht akzeptieren wollen, die ihnen nicht in den Kram passt. Wir sind die, die niemand sucht. Wir sind«, und hier hob er den Kopf, stolz darauf, jetzt diese Worte auszusprechen, die ihm frei und spontan über die Lippen kamen, »wir sind der Bund der Rebellen!«

FÜNF
    S LYMAN LIEF VORNÜBER gebückt, die Augen unverwandt auf den Boden gerichtet. Sein Reisegepäck drückte ihn schwer auf den Schultern und in seinen glänzenden braunen Stiefeln stolperte er über das kümmerliche Gestrüpp am Boden. Die Gestalt des Einsamen verlor sich vor ihm in bläulichen Nebel. Doch er vernahm die regelmäßigen, rhythmischen Schritte seines Anführers, gedämpft vom dichten Nebel. Die Schwaden um Slyman herum waren so undurchdringlich, dass er nicht einmal sehen konnte, wie die trostlose Gegend, die sie gerade durchquerten, wirklich aussah. Sogar vor die Sonne hatten sich dicke Nebelschwaden geschoben, sodass nur ein paar blasse Strahlen zu den Wanderern herüberdrangen.
    »Wir sind nicht die Einzigen, die ins Unbekannte aufbrechen, Slyman«, tönte die Stimme des Einsamen klar durch den Nebel.
    »Was meint Ihr damit, Herr?«, fragte Slyman und rieb seine Hände aneinander, um sie zu wärmen.
    »Die Welt ist voller Kämpfe, Slyman«, gab der Einsame zur Antwort. »Der Feind der Ewigen gewinnt an Macht und bedroht die strahlende Gemeinschaft, die ich zu früh verlassen habe.« Er seufzte. »In diesem Moment brechen einige junge Leute auf, die versuchen, ihm die Stirn zu bieten. Sie verlassen heute Dardamen, und nur das Schicksal weiß, ob sie je wiederkehren.«
    »Wer sind sie, Herr?«

    »Vier junge Männer von edler Herkunft«, erklärte der Einsame. »Ihr Anführer ist ein Halbsterblicher, aber meiner Meinung nach ist er kraftvoller als viele Ewige. Aber warum willst du all das wissen, Slyman? Hast du vielleicht Heimweh nach dem Reich? Möchtest du lieber nach Dardamen gehen?«
    Slyman war froh, dass der Nebel so dicht war und der Einsame nicht sehen konnte, wie verlegene Röte sein Gesicht überzog. »Oh nein, Herr, wie könnte ich Euch denn verlassen?«, fragte er leise. »Mich bindet mehr an Euch als an alles andere auf der Welt. Und außerdem:Wie könnte ich Heimweh nach etwas haben, das ich nicht kenne und nie gesehen habe?«
    »Du hast Recht, Slyman. Aber eigentlich sollten wir besser sagen, dass du es noch nie in diesem Leben gesehen hast«, antwortete der Einsame.
    Slyman blieb verwirrt stehen. Seine hellgrünen Augen starrten in das gleichmütige Gesicht des Einsamen, der jetzt direkt vor ihm stand, doch er fand keine Erklärung darin. »Was meint Ihr mit ›diesem Leben‹?«, flüsterte Slyman und musste sich fast überwinden, Dinge anzusprechen, die über die Grenzen des Bekannten hinausgingen. Dinge, über die die Ewigen sich jeglichen Urteils und jeglicher Meinung enthalten wollten. »Wie sollte es denn ein anderes gegeben haben?«
    Abrupt wandte sich der Einsame wieder nach vorne

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