Gefaehrten der Finsternis
um ihren Aufbruch zu sehen - den Aufbruch der
jungen Helden, die sich zu einer fast nicht zu bewältigenden Mission aufmachten.
»Hört mal, kneifen gilt nicht, da müssen wir jetzt durch«, sagte Lyannen und versuchte, überzeugend zu klingen.
»Wie sind wir da bloß reingeraten?«, seufzte Drymn.
»Weil das unsere Bestimmung ist«, antwortete Lyannen und stieß die Tür weit auf.
Es wirkte wie eine ironische Laune des Schicksals, dass sie erst noch feierlich unter den Augen der Menge die gesamte Stadt durchqueren mussten, um sich den Segen des Königs zu holen. Die Blicke all der Leute waren unerträglich für die vier Freunde. Doch nicht nur Hoffnung lag darin, auch ein stummes, nicht immer wohlwollendes Urteil, das spürte Lyannen ganz deutlich. Wie lästige Mücken stachen die geflüsterten Kommentare in seine Ohren, mehrfach hörte er die Worte »Herkunftsloser« und »Halbsterblicher«, aber auch - und das erfüllte sein Herz doch mit einer gewissen Freude - den Namen »Bund der Rebellen«. Die Kunde von ihrer Mission hatte sich wie ein Lauffeuer im Ewigen Königreich verbreitet, und Lyannen konnte seine Befriedigung darüber nicht verhehlen, dass die Leute von dem selbst gewählten Namen beeindruckt waren. Eigentlich gab es ja nur einen einzigen Rebellen unter ihnen, und das war er, Lyannen. Die anderen waren allesamt Abkömmlinge hochrangiger Persönlichkeiten. Drymn war der Sohn eines Hohen Ratgebers, Elfhall der eines berühmten Nationalhelden und Validen war sogar der Neffe des Königs. »Wir sind keine Rebellen, weil wir uns gegen etwas auflehnen müssen«, hatte Lyannen ihnen erklärt. »Wir sind es, weil wir uns dieses Schicksal selbst gewählt haben, weil wir genau das sein wollten.«
Der Bund der Rebellen konnte sich aber auch sehen lassen, während er nun langsam durch die weißen Straßen der Hauptstadt marschierte. Den Abschluss bildete der hochgewachsene stolze Elfhall. Er trug Reisekleidung aus weichem braunem Stoff
und dazu einen rötlich-braun schimmernden Umhang. Den Schnitt des Umhangs sah man schon seit langem nicht mehr, seit vor dreitausend Jahren im letzten Krieg gegen die Finsternis das Volk, dem Elfhalls Vater angehörte, bei der Niederlage auf den Feldern von Nuna so gut wie ausgelöscht worden war. Wie fast alle Männer seines verschwundenen Volkes war Elfhall mindestens zwei Meter dreißig groß und sein blasses Gesicht wies feine, aristokratische Züge auf. Seine langen Haare, die ihm bis zum Gürtel reichten, waren gewellt und von einem sehr hellen Blond, und eine dünne Strähne war ihm aus dem rotgoldenen Haarreif gerutscht und fiel ihm ins Gesicht. Seine samtig-violetten Augen waren groß, die Lippen schmal und die Nase war spitz.
Der drahtige Drymn, der vor ihm ging und die Kleider anhatte, die sein Vater getragen hatte, als er Knappe bei Sire Ataran II. gewesen war, bildete mit seinen prächtigen Gewändern einen merkwürdigen Kontrast zu ihm: purpurrote Reiterhosen mit goldenem Saum, dazu braune Stiefel, ein dunkler Ledergürtel und ein Oberteil aus zinnoberroter Seide mit goldbestickten Bündchen. Um die Schultern trug er einen langen, ebenfalls purpurroten Umhang, der über der Brust von einer perlmuttfarbenen Spange in Form einer Lilie zusammengehalten wurde. Seine grünen Augen leuchteten aus dem ovalen Gesicht und seine langen blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst.
Doch die Mädchen, die ihren Weg säumten, hatten fast nur Augen für die anmutige Figur von Validen, der an diesem Tag eine wahrhaft königliche Erscheinung abgab, ganz wie es sich für den Neffen des Sire gehörte. Seine große und schöne Gestalt hatte er in Reisekleidung aus edlem braunem Stoff gehüllt, die praktisch und elegant zugleich wirkte. Dazu trug er ein Paar Stiefel aus schwarzem Leder. Sein langer wehender Umhang in einem kräftigen Blauton brachte seine türkisblauen Augen gut zur Geltung. Die schulterlangen blonden Haare, die ihm den Beinamen
der Goldene eingetragen hatten, leuchteten hell in der Sonne.An einem seiner Finger glänzte der Ring mit dem Wappen des Reiches, der seit Generationen von Sire zu Sire zusammen mit dem Schwert weitergegeben wurde.
Doch die wahre Attraktion, auf die das Volk in den Straßen eigentlich gewartet hatte, war Lyannen. Nicht wenige äußerten beifällige und bewundernde Kommentare, als er vorüberging. Obwohl er kleiner war und rabenschwarzen Haare hatte, wirkte er in diesem Moment ganz wie der Vater und flößte allein durch sein
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