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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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stattdessen.
    »Vielleicht«, meinte der Einsame ziemlich rätselhaft. »Vielleicht auch nicht. Nichts auf dieser Welt ist sicher, Slyman. Doch diesmal scheint das Böse stärker als die Ewigen zu sein, und so, wie es nun aussieht, können sie nicht mehr lange standhalten. Und die, die daran noch etwas ändern könnten, sind gerade erst aus Dardamen abgereist.«

    »Sie brauchen...« Slyman zögerte kurz und hielt den Atem an, bevor er den Mut fand fortzufahren. »... Hilfe.«
    Der Einsame machte ein finsteres Gesicht. Slyman beobachtete, wie traurig sein Blick wurde. Seine Augen starrten kurz auf den Boden, dann sah er wieder den Jungen an und sagte: »Ich weiß, was du meinst. Aber das Schicksal, dein Schicksal will es nicht. Du wirst es verstehen, wenn du erst einmal älter bist. Manche Gefahren sind nichts für dich.« Dann nahm er Slymans Hand und streichelte sie ganz zart. Er seufzte, und in seinen Augen, die sonst so undurchdringlich waren, lag unendliche Traurigkeit. »Ich kann dich nicht so jung sterben lassen«, flüsterte er. »Nicht, nachdem ich dich habe aufwachsen sehen. Du hast dich zu einem guten jungen Mann entwickelt, Slyman. Du bist zu jung, um zu sterben. Der Tod will dich noch nicht.«
    Slyman entzog ihm seine Hand und schaute ihn verwirrt an. »Ich verstehe wieder nicht, was Ihr meint, Herr«, sagte er ganz leise, als hätte er Angst, seine Worte könnte zu viel Lärm verursachen. »Warum sprecht Ihr jetzt von Tod, wenn ich doch gerade erst begonnen habe, mein Leben in die eigene Hand zu nehmen?«
    »Weil ich nicht will, dass du jetzt schon fortgehst«, erklärte der Einsame traurig. »Ich beobachte dich, Slyman, und zwar an jedem einzelnen Tag, der vergeht. Ich glaube zu wissen, was du denkst, was dich in deinem Herzen bewegt. Doch ich warne dich: Dieser Wahnsinn könnte dir den Tod bringen.« Dann nahm er wieder die Hand des Jungen und sah ihn eindringlich an. Dabei zitterten seine Hände ein wenig und seine Stimme klang nicht so fest und sicher wie sonst. »Bei deiner Liebe für mich«, sagte er, als kostete ihn jedes Wort unglaubliche Anstrengung, »bei deiner Liebe für mich, versprich mir, dass du nicht nach Dardamen gehen wirst.«
    Slyman blickte ihn unverwandt an, während der Einsame seine Finger in den kräftigen Kriegerhänden hielt, die mit kleinen Narben übersät und dran gewöhnt waren, zu töten und ein Schwert
zu schwingen. Verglichen mit ihm, wirkte Slyman unglaublich klein und wehrlos. Und dennoch hatte der Einsame beinahe flehend geklungen, als hätte er jemanden nötig, der ihn beruhigte.
    Slyman schaute zu Boden, denn er hatte nicht den Mut, dem Einsamen ins Gesicht zu sehen. »Ich verspreche es Euch, mein Herr«, antwortete er schließlich, und seine Stimme war dabei nicht mehr als ein Hauch.
     
    »Ich hätte nie gedacht, einmal sagen zu müssen, dass ich müde bin«, erklärte Lyannen seufzend und schlurfte vorwärts. »Hat man jemals gehört, dass einem Ewigen nach einem solchen Marsch die Füße wehtaten? Nein, hat man überhaupt schon mal davon gehört, dass einem Ewigen jemals die Füße wehtaten?«
    »Ist es jetzt unhöflich, wenn ich dich daran erinnere, dass du ja nur ein halber Ewiger bist?«, fragte Validen.
    »Ja!«, sagte Lyannen und warf ihm einen flammenden Blick zu. »Hört auf, ihr beiden«, rief Elfhall und brachte sie damit zum Schweigen. »Wir sind da. Hier ist Mymar, die Stadt in den Bäumen.«
    »Wo denn?«, fragte Drymn und sah sich verwirrt um. »Ich sehe keine Stadt.«
    »Du bist schon mittendrin«, erklärte Elfhall lächelnd. »Sieh einmal genauer hin.«
    »Die Bäume«, flüsterte Lyannen. »Da sind Lichter in den Bäumen.«
    Er hatte recht. Der Wald war in die Stille einer angenehmen, ruhigen Dunkelheit gehüllt. Bäume - die Ewigen hatten diese Art mit dem vielsagenden Namen »Gottesstäbe« belegt - erhoben sich hoch und hell in den Himmel, mit leuchtend grünen Blättern. Ihre Stämme waren so mächtig, dass man dreißig Männer gebraucht hätte, um sie zu umfassen. Man konnte sich kaum vorstellen, dass inmitten dieser Riesen noch andere Wesen außer den Waldtieren leben könnten. Doch wenn man sich die Umgebung
genauer betrachtete, stellte man fest, dass zwischen den Zweigen und an den Stämmen Lichter aufblitzten, als würde etwas in ihrem Innern leuchten. Und all diese Lichter konnten gut zu einer Stadt gehören.
    Elfhall legte die Hände an den Mund und produzierte tief im Hals einen kehligen Singsang wie von einem anderen Wesen. Lyannen

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