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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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lief es eiskalt den Rücken herunter. Elfhalls Stimme hallte zwischen den Bäumen wider, dann verstummte sie jäh und wich einem Augenblick gespannter Stille.
    Danach ertönte aus den Zweigen ein zweiter Gesang, gleichsam als Antwort. Lyannen versuchte vergeblich herauszufinden, woher er kam. Die mysteriöse Atmosphäre dieses Ortes beunruhigte ihn.Was sollte die Geheimnistuerei unter Ewigen, zwischen Blutsverwandten?
    Elfhall beachtete die Nervosität seiner Gefährten nicht weiter. Er wiederholte seinen Ruf mehrmals, bevor er zufrieden zu sein schien, und jedes Mal erhielt er von fern eine Antwort darauf.
    »Wir dürfen eintreten«, sagte er. »Los, gehen wir.«
    Alle folgten Elfhall auf seinem Weg zwischen den Bäumen hindurch. Validen und Drymn sahen sich fasziniert um, aber Lyannen konnte seine Unruhe nicht abschütteln.Was war hier so seltsam? Alles war von einer unwirklichen Ruhe geprägt. Von den Bewohnern Mymars fehlte jede Spur.
    Lyannen erkannte von fern das Rauschen von Wasser, lange bevor sie an die zwischen Bäumen versteckte Quelle kamen. Das Wasser sprudelte in einen Brunnen und füllte eine Zisterne, deren steinernen Rand geometrische Muster zierten, das einzige Anzeichen für einen Eingriff in die Natur. Der Mond schien leuchtend auf die leicht bewegte Wasseroberfläche. Und über den Brunnen beugte sich die weiß gekleidete Gestalt eines Mannes. Seine silbernen Haare fielen ihm bis auf die Taille und sein zartes, ausdrucksstarkes Gesicht spiegelte sich im Wasser der Quelle. Als er sich umdrehte, raschelte sein bodenlanges Gewand leicht.

    »Wie lange haben wir uns nicht gesehen, Dalman?« sagte Elfhall lächelnd, was Lyannen irgendwie beruhigte.
    Der Ewige am Brunnen erhob sich und nahm seinen Wasserkrug aus weißem Porzellan auf, den er gerade gefüllt hatte. Er war groß und schlank und hatte beinahe die gleichen intensiv violetten Augen wie Elfhall. Sein weißes bodenlanges Gewand, das in eleganten Falten um seinen Körper gelegt war, wurde an den Schultern mit zwei Silbernadeln gehalten. Er trug Schuhe, die kreuzweise mit Lederbändern geschnürt wurden, und um die Stirn ein Band aus Perlen. Der Mann stellte den Krug auf dem Boden ab, dann breitete er feierlich die Arme aus und umarmte Elfhall schweigend. Beide sahen einander gerührt an.
    »Cousin Dalman, wie lange haben wir uns nicht gesehen?«, wiederholte Elfhall.
    »Du bist nicht mein Cousin, du bist für mich wie ein Bruder«, sagte Dalman. »Doch wer sind deine Begleiter und was führt euch nach Mymar? Du hast mir einiges zu erklären.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dir alles sagen darf, Bruder«, meinte Elfhall entschuldigend. »Verzeih uns, wenn wir so unverschämt sind, eure Gastfreundschaft zu erbitten, ohne zu sagen, warum wir gekommen sind. Doch uns führt eine gefährliche Mission in diese Gegend.«
    Dalman schüttelte den Kopf. »Du musst dich nicht entschuldigen«, sagte er dann. »Die Leute von Mymar werden sich freuen, euch so lange zu beherbergen, wie ihr es wollt. Folgt mir, ich zeige euch den Weg.«
    Er nahm den Krug und lief vorwärts in den Wald hinein auf die beleuchteten Bäume zu, während die anderen ihm folgten. Elfhall gesellte sich zu Dalman an der Spitze des Zuges und unterhielt sich mit ihm über die Ereignisse der letzten Zeit und nannte dabei viele Namen, die Lyannen völlig unbekannt waren. Der hörte ihnen eine Weile zu, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Schönheit dieses Ortes zu, den irgendein Geheimnis aus
alter Zeit zu umgeben schien. Je weiter sie in das vordrangen, was die eigentliche Stadt sein musste, desto deutlicher sah man, dass der Ort bewohnt war. Nun, wo Dalman bei ihnen war, traten die Leute hinter den Bäumen hervor, schauten aus den ovalen, in die Bäume eingeschnittenen Fenstern hervor oder bevölkerten das, was Lyannen jetzt als Straßen erkannte.
    Die Einwohner von Mymar waren selbst für Ewige sehr groß, hatten lange silberne oder weißblonde Haare und violette, graue oder hellgrüne Augen. Sie trugen lange elegante weiße Gewänder und die Haare waren zu komplizierten Frisuren geflochten. Jetzt sah Lyannen, dass in die Stämme gut versteckt Türen eingelassen waren. Einige junge Bogenschützen, die stolz ihre über die Schulter gehängten Waffen zur Schau stellten und sehr mutig wirkten, begrüßten Elfhall ebenfalls sehr herzlich.
    Schließlich blieb Dalman vor einem großen Baum stehen und stellte dort seinen Krug ab. Als er die in den Stamm eingelassene Tür gefunden

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