Gefaehrten der Finsternis
kurz regungslos mit gekreuzten Schwertern stehen, als wollte jeder die Kraft seines Gegners abschätzen. Das geheimnisvolle Wesen hatte Lyannen blitzschnell angegriffen und mit der plötzlichen Attacke überrascht, doch der hatte sofort mit einem kunstvollen Hieb gekontert. Anscheinend hatte der andere bemerkt, dass er kein ungeübter Kämpfer war. Ganz langsam zogen beide ihre Schwerter zurück und wichen einen Schritt nach hinten.
Wieder standen sie regungslos da und belauerten einander, bis Lyannen einen blitzartigen Ausfallschritt wagte. Und wieder bewies dieses Wesen, dass es ziemlich schnell und geschickt war: Es drehte die Klinge und parierte den Hieb. Sie trennten ihre Schwerter und nun folgte ein immer schneller und heftiger werdender Schlagabtausch. Es wirkte wie ein ausgeglichener Kampf.
Die beiden Kontrahenten schienen einander ebenbürtig; wenn der eine angriff, reagierte der andere sofort, wehrte den Hieb geschickt ab und antwortete mit einem Gegenhieb. Beide ließen den Gegner keinen Moment aus den Augen, aber keiner von ihnen schien darauf aus, dem anderen einen tödlichen Hieb zu versetzen, sondern wollte ihn wohl nur entwaffnen oder höchstens leicht verwunden. Das geheimnisvolle Wesen kämpfte im Stil der Ewigen und verfügte über eine ausgezeichnete Schlagtechnik, aber Lyannen war schneller und wendiger auf den Beinen.
Er versuchte es nun mit ein paar Finten, nach rechts, dann nach links, dann wieder nach rechts, und beim dritten Mal folgte ihm sein Gegner und warf sich nach rechts, um dem Hieb zu begegnen, doch der kam nicht. Lyannen hatte blitzschnell sein Schwert in die Linke gewechselt, obwohl die nicht seine Schwerthand war, dann schlug er wohlüberlegt zu. Die Waffe der Gestalt mit der Kapuze fiel klirrend zu Boden.Völlig überrumpelt schaute Lyannens Gegner sich um, als hätte er nicht ganz begriffen, was da eben geschehen war. Lyannen nutzte die Situation, um ihn rücklings zu Boden zu werfen und mit dem Schwert auf seine Kehle zu zielen.
Einige endlos lange Sekunden rührte sich niemand. Lyannen hielt sein Schwert drohend auf den Hals seines auf dem Boden liegenden Gegners gerichtet, bereit, ihm den Todesstoß zu versetzen. Doch in seinem Innern wusste er genau, dass er ihn nicht einfach so, ohne einen Grund töten würde. Jetzt waren sie einander so nahe, dass ihm der vor Anstrengung keuchende Atem des Fremden in den Ohren dröhnte. Lyannen senkte sein Schwert noch ein wenig, bis er ihn beinahe damit berührte, aber er stieß nicht zu.
Und dann öffnete die Gestalt den Mund, um zu sprechen. »Tu es nicht!«
Zur allgemeinen Verwunderung kamen diese Worte klar und deutlich in der Sprache der Ewigen über seine Lippen. Eigenartigerweise
kam Lyannen an dieser Stimme etwas sehr bekannt vor, wie eine Erinnerung oder so, als habe er sie schon einmal im Traum gehört.
»Und warum sollte ich das nicht tun?«, fragte er zurück und ließ den anderen dabei nicht aus den Augen.
Der wirkte zwar nicht so, als wolle er noch irgendwelche heimtückischen Manöver versuchen, aber immerhin war er ein unbekannter Feind. »Weil du es bereuen würdest«, sagte die Gestalt mit der Kapuze selbstsicher.
Mit seinem Schwert immer noch auf die Kehle des Unbekannten zielend, beugte sich Lyannen vorsichtig über ihn und zog ihm mit der anderen Hand ruckartig die Kapuze vom Kopf.
Blonde Locken quollen zerzaust darunter hervor. Ein fein geschnittenes Gesicht, aus dem zwei eisblaue Augen leuchteten, blickte ihn ernst an. Sofort zog Lyannen sein Schwert zurück und ließ es zu Boden fallen. Dann reichte er seinem Gegner die Hand und half ihm beim Aufstehen. Die beiden umarmten einander wortlos.
»Lyannen, was...?«, fragte Drymn verblüfft. Es war schon äußerst erstaunlich, dass sich ihr Verfolger als ein groß gewachsener, gut aussehender Ewiger entpuppte, aber noch seltsamer war, dass Lyannen und er einander anscheinend gut kannten.
Lyannen lächelte und fragte fröhlich: »Braucht ihr Erklärungen? Die könnte ich allerdings auch brauchen. Ihr kennt Ventel nicht, stimmt’s?«
Die anderen schüttelten wie ein Mann den Kopf.
Lyannen lächelte noch einmal. Und erklärte: »Ventel ist mein Bruder, der Viertgeborene. Ihr werdet ihm kaum begegnet sein, denn er lebt seit Langem in der Letzten Stadt und kommandiert dort einen militärischen Vorposten. Jetzt muss er uns nur noch verraten, warum er hier ist und warum er uns heimlich gefolgt ist.«
Lachend hob Ventel sein Schwert vom Boden auf und steckte
es
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