Gefährten des Zwielichts
durch ein Teleidoskop, wie er es als Kind einmal auf dem Jahrmarkt getan hatte.
Inmitten dieser völligen Verwirrung seiner Gegenwart standen die Erinnerungen plötzlich ganz klar und greifbar vor ihm. Dieser Jahrmarktsbesuch ... ohne Geld hatte er sich in den Marktflecken geschlichen, angelockt von den Wundern der weiten Welt. Doch er hatte nur abseits gestanden, hatte von ferne die Buden betrachtet und keinen Einlass in die Zelte gefunden - bis die Gassenjungen der Stadt auf ihn aufmerksam wurden und ihren Spaß mit ihm hatten ...
Nein. Es gab keine Erinnerungen, in denen er sich verlieren konnte. Seine Jugend war kein Ort, an den er zurückkehren wollte. Er war Baskon, der Wardu, und er tat gut daran, diesen Gedanken festzuhalten.
Baskon sammelte sich und versuchte, Ordnung in das Chaos seiner Seele zu bringen.
Er konnte nicht all seine Essenz in ein einziges Bruchstück lenken, denn die Trümmer seiner zerschlagenen Rüstung waren zu klein, als dass ein Einzelnes davon viel von seiner Kraft zu halten vermochte. Wenn er sich also auf einen Punkt zusammenzöge, würde ihn das derart schwächen, dass er völlig verginge oder zumindest Monate bräuchte, um seine Kraft zu nähren und auszuweiten, überzuspringen und einen neuen Leib zu schaffen.
Leise summte der zerschlagene Stahl in der Sonne.
Baskon überlegte, ob er zurückgehen sollte, sich von Leuchmadans Herz richten lassen und erneuert in die Welt treten. Aber nein. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen, und er war der Einzige, der wusste, wo Leuchmadans Herz zu finden war. Dieses Wissen musste er an seine Verbündeten weitergeben, oder an seinen Herrn selbst.
Niemand wusste, wo der Klang seinen Widerhall finden würde, wenn er den jetzigen Leib aufgab und sich aufs Neue in die Welt schicken ließ. Er mochte irgendwo erwachen, fern von seiner Aufgabe, und es konnte lange dauern, bis er wieder zu Kräften kam. Vor allem dann, wenn nicht große Mengen kalten Metalls bereitstanden, ihn zu wiegen und zu nähren. Und das Herz war in den Händen des Feindes. Vermutlich hatten sie es verhüllt, und er wäre in dem Kästchen gefangen und könnte nicht wieder hinaus.
Nein. Er musste seine Kraft zusammenhalten und das retten, was derzeit von ihm in der Welt war.
Baskon ordnete seine Eindrücke, er prüfte die verbliebenen Gliedmaßen und sprang dazwischen umher. Schließlich sammelte er so viel Stärke wie möglich in den größten Bruchstücken, die nah beisammen lagen.
Das Summen über einigen Teilen seiner Rüstung wurde lauter. Der Stahl glättete sich, Schrammen und Kratzer und Knicke liefen zu, und bald blitzte das Eisen an vielen Stellen wie poliert. Doch die Fetzen von Baskons Rüstung veränderten sich weiter. Sie vibrierten stärker, wie ein heftig angeschlagener Gong, und endlich schwangen sie so rasch, dass der Stahl flüssig wurde. Ganz langsam zerfloss er, und die Teile krochen über Gras und Stein aufeinander zu.
Der Brustpanzer fügte sich zusammen, die Schulterplatten legten sich darüber. Bein und Arm schlossen sich an, und schließlich erhob sich ein krüppelig zusammengeflickter Rumpf und wälzte sich durch das Tal, wo er Panzerhandschuhe und Fußglieder und kleinste verlorene Teile aufsammelte und sich wieder einfügte.
Endlich hockte Baskon sich hin, und er wirkte beinahe so vollständig wie zuvor. Seine Rüstung glättete sich weiter, vervollkommnete sich, zog sich straff und verband sich enger zusammen auf der Suche nach dem reinen Ton. Doch der Wardu war am Ende seiner Kraft. Er konnte sich nicht erheben, er konnte nicht gehen, er konnte nicht einmal mehr kriechen. Er konnte nur dasitzen und hoffen, dass diese hässlichen Adlerzwerge nicht vorbeikamen, ihre Toten einsammelten und ihm den Garaus machten.
Aber zum Glück war es spät am Tag, und er befand sich in einem tiefen Tal. Jeden Augenblick würde die Sonne hinter den Graten verschwinden, und der Schatten würde die Schlucht füllen und ihn umhüllen. Dann würde er sich rascher erholen und von hier verschwinden.
Aber wohin?
Sollte er den Feinden folgen, die er auf den Pass hatte zuwandern sehen?
Doch beim ersten Mal hatte es in einem Desaster geendet, weil die Gestalten auf dem Boden auch aus der Luft bewacht worden waren. Dieser Fehler hatte ihn Rujan gekostet, sein treues Reittier. Selbst wenn er sich vollkommen erholt hatte, war er möglicherweise nicht stark genug, um es allein mit den Dieben von Leuchmadans Herz aufzunehmen - mit diesem Zauberer und seinen Wichteln und
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