Gefährten - im Wettlauf gegen die Finsternis (German Edition)
sich nicht wehren konnte. Mit vereinten Kräften hätten
die Beiden es wahrscheinlich schaffen können den Giganten zu überrumpeln. Und
eine Flucht war sicherlich möglich. Der Schwarze wirkte schwerfällig und nicht
besonders schnell, wie er in aller Seelenruhe auf James zuschritt. Nein, das
eigentliche Problem bestand in ihrem nächtlichen Fehler und der Unachtsamkeit.
Sie hatten nicht nur unter einer Zraane genächtigt, sondern an einer Schlucht.
Und von eben diesem Abgrund war James nur noch einen Fußbreit entfernt. Er
versuchte wieder Abstand zu gewinnen, aber der Riese ließ ihm keine Gelegenheit
dazu. Im Gegenteil, er versuchte den Jungen immer weiter zurück zu drängen. Das
war sein Plan! Er hatte James mit einem einzigen heftigen Schlag ins Gesicht
erledigen können. Stattdessen spielte er noch eine Runde mit seinem Opfer. Er
verpasste ihm immer nur einen Schlag der ihn leicht nach hinten taumeln ließ,
immer ein Stückchen näher zum Abgrund. Die Dolchstöße und Versuche sich zu
wehren ignorierte der Blecherne wie das lästige Summen einer Fliege. Alex, der
endlich aus seiner Erstarrung erwachte, sah sich hilfesuchend um. Und dann geschah
das was unweigerlich kommen musste. Der schwarze Ritter holte zum letzten
tödlichen Schlag aus. Alex brüllte James‘ Namen. Abermals traf die Faust James
im Gesicht, abermals strauchelte er, nur dieses Mal konnte er sein
Gleichgewicht nicht mehr halten. Wild mit den Armen rudernd stürzte er nach
hinten, in den Abgrund. Die eine Sekunde schien endlos lange zu dauern. Dann
öffnete Alex den Mund und schrie. Er trieb sein Pferd an, preschte auf den
Giganten los. Dieser stand einfach nur da und erwartete desinteressiert den
Angriff. Alex wusste, dass dieses Wagnis töricht war, und doch stürmte er
unaufhaltsam weiter. Im allerletzten Moment zog er die Zügel. Er war im Begriff
in den sicheren Tod zu reiten, war er denn wahnsinnig? Abermals zog er an den
Zügeln, doch die Stute reagierte nicht. Alex zog so fest er nur konnte. Doch
statt auszuweichen stieg die Stute, Alex fiel beinahe aus dem Sattel. Mit einem
lauten Wiehern donnerten die Hufe des Tieres auf den Brustpanzer des Schwarzen,
der begann zu wanken. Alex riss die Augen auf. Er erkannte seine wahrscheinlich
einzige Chance. Er griff nach seinem am Sattel befestigten Schild und stieß ihn
nach vorne, traf den Schwarzen ebenfalls am Brustpanzer. Schmerz durchzuckte
seinen Arm, so hart war der Aufprall. Doch er hatte Erfolg. Der Ritter verlor
endgültig das Gleichgewicht. Mit einem verblüfften, tiefen Grunzen stürzte er
nach hinten und fiel. Das Echo des Aufpralls der schweren Rüstung hallte noch
lange nach. Dann senkte sich plötzlich Stille über die Ebene. Alexander Kliev
war allein, vollkommen allein. James Stute graste in einiger Entfernung teilnahmslos.
Wut und so etwas wie Kummer stieg in Alex auf, doch er wischte die Gefühle mit
einer Handbewegung einfach beiseite. Er musste weiter, ohne James. Doch er
konnte nicht, etwas hielt ihn zurück. Er saß ab. Sofort trabte sein Pferd zu
Tyla und begann zu grasen. Langsam näherte sich der Junge dem Abgrund, hockte
sich hin und sah nach unten. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Ungefähr
hundert Meter unter ihm erstreckte sich ein von spitzen Felsen durchzogenes blaues
Flussband, die Rüstung war nirgendwo zu sehen. Er betrachtete den reißenden
Strom, zwei Gefährten durch das Wasser verloren, das war bitter. Er ließ seinen
Blick über die Felsen unter sich gleiten und keuchte entsetzt auf.
„Wenn du
fertig bist mit träumen und Natur bewundern könntest du mir eventuell helfen“,
James Gesicht war schmerzverzerrt, er konnte sich nur noch mit letzter Kraft an
dem Vorsprung festhalten. Bewegungslos starrte ihn sein Gefährte an.
„Wäre schön
wenn du dich ein klein bisschen beeilen könntest“, knirschte der Elb mit
zusammengebissenen Zähnen.
Alex lief zu
der Stelle, wo James sich festhielt, ließ sich bäuchlings auf den Boden sinken,
nahm seinen Dolch und stieß ihn sich in seinen Gürtel und damit in den Boden um
wenigstens etwas Halt zu haben und verankert zu sein, seine Beweglichkeit wurde
dadurch jedoch gehörig eingeschränkt. So weit wie nur möglich beugte er sich
über den Abgrund, bei dem Gedanken an die Tiefe wurde ihm übel. Er ignorierte
das Gefühl und streckte seine Hand nach James aus, um ihn zu packen und nach
oben zu ziehen. Es reichte nicht. James hing gute zwanzig Zentimeter zu weit
unten, Alex konnte ihn nicht erreichen.
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