Gefaehrtin Der Daemonen
es nichts zu bedeuten, aber ich wurde trotzdem verlegen. Ich war nicht gerade ein Vorbild für gutes Benehmen. Nicht für ein Kind. Allerdings bezweifelte ich, dass Byron das kümmerte.
An die Hauptküche schloss sich ein Aufenthaltsraum für die freiwilligen Helfer an, in dem sich alle Leute, die das Coop’s am Laufen hielten, erholen konnten. Dort aßen und lasen sie oder sahen fern. Byron und ich schnappten uns Tabletts und Teller und quetschten uns zwischen die Serviertische in die Schlange, um uns Frühstück zu holen. Ich hatte keinen Hunger, sondern eher das Bedürfnis, loszugehen, und zwar sofort. Aber der Junge hielt sich kaum noch auf den Beinen. Ich sah es in seinen Augen. Wenn ich jetzt verschwand, war er bei meiner Rückkehr vermutlich
nicht mehr da. Aber ich wollte, dass er in Sicherheit war, genauso sehr, wie ich Jack und Sarai aufsuchen wollte.
Für dieses Bedürfnis gab es keinen besonderen Grund. Irgendetwas an Byron ging mir einfach unter die Haut. Vielleicht war es auch mein schlechtes Gewissen. Er hatte meinetwegen gelitten. Wegen Badelt und seinen Fragen.
Ich zwang mich zu essen, und nach dem zweiten Bissen begann mein Magen, fröhlich zu knurren. Byron verschlang mehr als ich, aber nicht viel. Auf unseren Tellern häuften sich Rührei mit Schinken, Hackfleischbällchen unter einer Ketchup-Schicht, Toast, Butter und Marmelade. Und noch ein Donut.
»Ich muss gleich kotzen«, verkündete Byron, als sein Teller beinahe leer war. Er schob sich noch ein Stück Brot in den Mund.
»Du könntest jeden Tag so viel essen«, murmelte ich, während ich die Nummer der Auskunft in mein Handy tippte. Ich fragte nach der Sarai-Soars-Kunstgalerie, aber laut dem Mann am anderen Ende zufolge existierte ein solcher Platz gar nicht. Wenn doch, so war er nicht eingetragen, wie er mir, begleitet von Tastenklicken, versicherte.
Ich schob das Handy in meine Tasche. Byron starrte mich an. Ein Stück Schinken hing schlaff zwischen seinen Fingern. »Brian war mit einer Frau verheiratet, die Sarai hieß.«
Ich bedauerte es, dass ich den Anruf in seiner Gegenwart gemacht hatte. »Hat er dir von ihr erzählt?«
»Sagte mal, sie wäre wunderschön.« Byron zuckte mit den Schultern und ließ die Scheibe Schinken wieder auf den Teller fallen. »Außerdem soll sie eine Nervensäge gewesen sein, aber das wären die meisten Frauen, sagte er.«
Das klang ganz nach dem Mann auf dem Foto. »Hat sie Badelt engagiert, um nach mir zu suchen?«
»Das weiß ich nicht.« Byron wischte sich die Hände an der
Jeans ab. »Du wirst doch der Polizei nicht sagen, dass ich etwas gesehen habe, oder?«
»Nein«, versicherte ich ihm. »Sie wissen nicht einmal, dass du existierst.«
Er nickte, presste die Kiefer fest zusammen. Vielleicht war ihm wirklich etwas schlecht. Ich schob den Stuhl zurück. »Komm, ich zeig dir das Zimmer.«
Der private Flügel befand sich im ersten Stock des mittleren Lagerhauses, zwischen dem Speisesaal und den Gemeinschaftsräumen. Grant hatte ihn ausgebaut, um die besonderen Fälle aufzunehmen, mit denen er es gelegentlich zu tun hatte: Familien oder Einzelpersonen, die kurz davorstanden, wieder auf die Beine zu kommen, aber diesen kleinen Extra-Anstoß noch brauchten. Er brachte aber auch Leute dort unter, die weit von diesem Erfolg entfernt waren, deren Selbstvertrauen jedoch davon profitieren würde, wenn sie einen eigenen Raum hatten.
Es war ein streng gehütetes Geheimnis und eine schwierige Gratwanderung. Die Grant allerdings ausgezeichnet beherrschte.
Mein Schlüsselbund quoll vor lauter Schlüsseln geradezu über. Ich schloss die Tür zum Flügel auf, und wir gingen durch einen langen Flur, dessen Wände sandfarben gestrichen waren, mit weißen Akzenten. Die Bodenbeleuchtung und die einfachen Fliesen verliehen dem Ganzen eine gediegene Atmosphäre, die den Bewohnern half zu vergessen, dass sie in einem Obdachlosenheim lebten. Ich blieb vor einer weißen Tür in der Mitte des Flurs stehen, öffnete sie und ließ Byron eintreten.
Der Raum hatte die Größe und den Grundriss eines Hotelzimmers. Das Bad ging gleich rechts vom Eingang ab, und dahinter standen ein Bett und ein Schrank. Auf dem kleinen Nachttisch befand sich ein Telefon, neben dem ein Block mit einem Stift lag. Das Fenster zeigte nach Südosten. Durch die einfachen Vorhänge drang Sonnenlicht herein. Die Wände waren
weiß gestrichen, die Möbel wirkten einfach, vielleicht ein bisschen ländlich.
Byron blieb mitten in dem Zimmer stehen,
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