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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Ausnahmen.«
    Für einen guten Zweck Aufmerksamkeit zu erregen, das war eine dieser Ausnahmen. Zum Beispiel, am helllichten Tag gegen
Dämonen zu kämpfen. Verpasste Gelegenheiten waren damit vergleichbar, Luft zu verschwenden, wenn man eine Meile unter Wasser ertrank. Ganz gleich, wer zuschaute.
    Ich drehte mich um und sah Byron.
    Ich wusste nicht, wie lange er dort schon gestanden hatte, aber in seiner weiten Kleidung wirkte er blass und hager. Seine Augen schienen jemandem zu gehören, der nicht nur schon viel gesehen hatte, sondern der gerade Zeuge von etwas vollkommen Verrücktem geworden sein musste, wie zum Beispiel dem Anblick, wie eine erwachsene Frau mit einem Kind kämpfte, das sich in Luft auflösen konnte.
    »He«, sagte ich verlegen. »Ich habe dich gesucht.«
    »Ich war auf eurem Dach.« Seine Stimme klang tonlos, fast als rede er auf Autopilot. »Grant hat gesagt, ihr würdet dort nicht nachsehen.«
    Ich nickte. Plötzlich fiel mir auf, dass er meine Hände anstarrte. Ich hatte meine Handschuhe in die Tasche gesteckt und vergessen, sie wieder anzuziehen. Ich war zu sehr mit den Gedanken beim Ende der Welt und dem alten Mann gewesen, der mein Großvater sein könnte.
    Ich musste ihn warnen. Und ich brauchte Antworten.
    Ich tat ganz cool, als ich die Handschuhe überstreifte, doch ich spürte, dass man mir die Maske vom Gesicht gerissen hatte. Alle meine Geheimnisse waren enthüllt; ich fühlte mich nackt, als würde ich brennen.
    Byron schluckte. »Hast du noch mehr davon?«
    »Hier und da«, erwiderte ich knapp.
    »Du siehst gar nicht aus, als würdest du auf Tattoos stehen.«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass ich Furcht einflößen kann.«
    Er verlor etwas von seiner Anspannung. »Furcht einflößen ist manchmal nicht schlecht.«
    Ich grinste. »Danke, Junge.«

    Er wirkte verlegen, rieb sich die Nase und sah an meiner Schulter vorbei. Ich drehte mich um, für alle Fälle, konnte aber keine Spur von meiner dämonischen Mini-Ausgabe finden. Als ich mich umdrehte, begegnete ich seinem prüfenden Blick. Ich wich nicht zurück, weder vor seinem musternden Blick noch vor den Emotionen in seinem Gesicht: Zweifel, Furcht, Unbehagen. Und vielleicht auch so etwas wie Anerkennung, obwohl nur Gott wusste, womit ich die nun verdient haben mochte.
    »Hat du schon gefrühstückt?«
    »Ich wollte abhauen«, erwiderte er. »Ich kann nicht hierbleiben.«
    »Aber geh nicht mit leerem Magen.« Ich ging an ihm vorbei und gab mich entspannter, als ich mich fühlte. »Es sei denn, du bist Vegetarier. Dann bist du allerdings am Arsch.«
    Ich wartete nicht ab, ob er mir folgte, obwohl ich auf seine Schritte lauschte. Nach einer Weile hörte ich sie; ich schwieg, als er mich eingeholt hatte und neben mir blieb. Er ging schlurfend, gebückt. Eine schlechte Haltung, mit der er versuchte, unbemerkt zu bleiben.
    »Warum lebst du hier?«, erkundigte sich Byron.
    »Warum nicht?« Ich sah mich nach weiteren Dämonen um, nach Stücken des Himmels, die herunterfielen, oder nach Heuschrecken und fliegenden Kröten. »Warum lebst du auf der Straße?«
    »Weil sie da ist«, erwiderte er.
    Ich warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. »Du hast die Räume noch nicht gesehen. Sie haben Schlösser an den Türen. Und du bekommst einen eigenen Schlüssel. Kannst vielleicht sogar ab und zu ein bisschen arbeiten, hier oder in der Nähe.«
    »Wie auch immer«, murmelte er, aber ich merkte, dass er interessiert war. Ich hatte nicht viel Übung im Umgang mit Kindern seines Alters, oder überhaupt mit Kindern, aber ich hielt
mich wohl ganz gut. Jedenfalls rannte er nicht weg. Was auch immer er gesehen haben mochte.
    Wir kamen zum Haupteingang des Coop’s. Byron räusperte sich, seine Hand glitt unwillkürlich zu einer Prellung an seinem Hals, die mir in der Nacht zuvor nicht aufgefallen war. Ich wollte ihn fragen, woher die Verletzung stammte und ob er noch mehr davon hatte, aber ich wusste es auch so. Noch etwas, das mir Übelkeit bereitete.
    Byron bemerkte meinen Blick und erstarrte. Ich tat, als wäre es mir nicht aufgefallen, und ging weiter. Gedanken an Jack und Sarai gingen mir durch den Kopf.
    Alte Freunde.
    Alte Freunde eines Dämons. Oder was auch immer diese Kreatur sein mochte.
    Ich klopfte auf meine Gesäßtasche und spürte den Stein. Meine Mutter und ihre Geheimnisse. Oder meine Großmutter und ihre Geheimnisse.
    »Scheiße.« Byron sah mich an, und ich setzte hastig hinzu: »Entschuldige.«
    Der Teenager zuckte die Achseln, als hätte

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