Gefaehrtin Der Daemonen
Byron lag mit geschlossenen Augen neben mir, bewusstlos.
Alles in mir erstarrte. Das Gesicht des Jungen war übel zugerichtet. Das linke Auge war geschwollen, blaue Flecken überzogen seine Wange. Seine Nase war gebrochen, Blut sickerte über seine Oberlippe, die Stirn war von Schnitten übersät, als hätte man ihm mit einer Schusterahle die Haut abgeschabt. Es schien geradezu unwirklich. Ich sah ihn noch, wie er in diesem verdammten Zimmer gestanden hatte. Ich hatte ihn nur zehn Minuten aus den Augen gelassen.
Rex kniete sich hin. »Wir haben schon 911 gerufen.«
Ich zwang mich, den Blick abzuwenden. Grant beugte sich herunter, so weit er es mit seinem Bein konnte, und betrachtete den Zombie unter mir.
»Du hast den Jungen geschlagen.«
Seine Stimme war unglaublich leise und fürchterlich kalt. Der Zombie holte bebend Luft; seine Augen waren blutunterlaufen, er atmete schwer. »Ich habe mich vergessen. Bitte. Bitte lassen Sie nicht zu, dass sie mich umbringt. Ich habe ihn gesehen und mich vergessen. Ich habe alles vergessen!«
An solche Zufälle glaubte ich nicht. Byron war ein zu lohnendes Ziel. »Warum der Junge? Hat dich jemand auf ihn angesetzt? Edik? Oder Mamablut?«
Der Blick des Zombies zuckte von Grant zu mir, und er schüttelte verzweifelt den Kopf. Worte drangen aus seinem Mund,
dämonische Worte. Rex rückte näher heran, und der Zombie wechselte ins Englische.
»Sag es ihnen!«, zischte der Besessene. »Rex, sag es ihnen!«
Rex sah weg. »Nein, Scotty.«
Der Zombie konnte es nicht fassen. »Aber … er ist eine Haut !«
»Haut!«, wiederholte ich scharf. »Was meinst du damit?«
Scotty presste die Lippen zusammen. Rex wandte sich ab, stand auf und ging in eine Ecke des Empfangsbereichs, zögernd, als wollte er einfach nur Abstand gewinnen. Ich sah Byron an. Der Junge atmete, lag aber immer noch so regungslos da wie ein Stein.
»Beantworte ihre Frage«, sagte Grant. »Warum hast du dieses Wort benutzt?«
Scotty weigerte sich zu antworten.
»Er hat die Grenze überschritten«, sagte ich. »Das weißt du.«
»Maxine.«
»Nein. Er gehört mir.«
Grant schloss die Augen. Ich streifte meine Handschuhe ab. Der Zombie weinte, wehrte sich nicht mehr, bettelte nur, flehte inständig um sein Leben. Ich empfand kein Mitleid. Ich hatte Dämonen in Großmüttern und Kinder-Erziehern gefunden, ebenso in Polizeibeamten und Politikern. Ich hatte Kinder und Sterbende exorziert. Die Dämonen waren alle gleich. Schmerz war garantiert, ganz gleich, wie die Verpackung aussah.
Ich legte meine Hand auf die Stirn des Zombies. »Irgendwelche letzten Worte?«
»Ein Handel«, keuchte er.
»Nein. Sag es mir freiwillig, dann geht es schnell. Versprich mir, dass dich keiner dazu gezwungen hat.«
Scotty sagte nichts. Das genügte mir als Antwort. Seine Aura zog sich aus seinem Kopf zurück; der Dämon in ihm bereitete sich auf eine schnelle Flucht vor.
Von wegen! Ich drückte meine Hand noch fester gegen seine Stirn und spie die Worte aus, die meine Mutter mich gelehrt hatte. Alte, uralte Worte. Der Dämon befreite sich aus dem Mann. Ich fing ihn in meiner Hand. Es war nur eine winzige Rauchfahne, ein Hauch. Der kleine Dämon schrie, ein hohes, durchdringendes Pfeifen.
Die Jungs saugten im Schlaf seine Essenz in meine Haut und fraßen sie.
Zehn Sekunden von Anfang bis Ende. Grant hatte die Augen noch immer geschlossen. Ich bekam Angst, ihn zu berühren, doch als ich den Mann losließ, packte er meine Hand, hob sie an seine Wange und drückte sie fest darauf. Ich atmete wieder und küsste seine Schulter.
Scotty stöhnte unter mir. Ich trat von ihm weg und hockte mich neben Byron. Ich berührte sein Haar, mehr nicht. Ich wollte ihm keine Schmerzen bereiten. Vor Angst war mir fast übel. Vor Angst und vor Wut.
»Rex«, sagte Grant. »Wir brauchen Hilfe.«
Der Zombie schwieg und verließ den Empfangsbereich. Grant bückte sich und sang leise. Die Macht prickelte auf meiner Haut. Die Atmung des Mannes auf dem Boden wurde ruhiger. Grant sang weiter. Ich wusste nicht, was er in der Aura des Mannes sehen mochte, aber seine Melodie veränderte sich, und ich konnte mir fast vorstellen, wie sich die Bruchstücke verschoben und neu arrangierten, als wäre es ein Laubsägepuzzle.
Besessenheit , flüsterte eine leise Stimme in meinem Kopf. Grant ist nicht anders als sie.
Er war aber anders. Ich würde niemals etwas Gegenteiliges glauben.
Grant hörte auf zu singen. Sein Schweigen war jetzt ebenso durchdringend wie
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